Februar 1957
Nur für einen kurzen Augenblick in der Geschichte, einem Zeitraum von zwei Jahren, bot sich inmitten der Wirtschaftswunderzeit von Februar 1957 bis Februar 1959 ein Anblick, der heute gelegentlich wieder als erstrebenswert, von den Generationen der Nachkriegszeit aber eher als ein Übel, das angesichts leerer Kassen alternativlos blieb, betrachtet wurde: der freie und ungehinderte Blick Richtung Osten, dem Verlauf der Hauptstraße folgend, auf das altehrwürdige Schloss.
Am 16. September 1955 fasste der Hauptausschuss der Amtsvertretung mit großer Mehrheit den Entschluss, das baufällige Amtshaus von Petershagen, den östlichen Querriegel der Hauptstraße, abzureißen. Das Gebäude ging 1884 in das Eigentum des Amtes über, nachdem die darin befindliche Gastwirtschaft geschlossen worden war. Über dem in Säulen gefassten Haupteingang prangte aus preußischen Zeiten ein in Stein gehauener Adler, der die Zeiten überdauert hatte. Vorhanden waren ein Dienstzimmer des Amtmanns, eine Schreibstube mit drei Schreibern, zwei Wohnungen im Nordflügel sowie das Polizeigefängnis mit drei Zellen. Ab 1938 wurde das Amt nur noch zu Wohnzwecken benutzt, nachdem die Verwaltung in das städtische Haus an der Marktstraße verlegt worden war. Noch 1955 konnten sich die Mitglieder des Amtstages vorstellen, dass hier einst eine mögliche Brückenzufuhr in die Hauptstraße mündete. Die Abrisspläne wurden im Februar 1957 in die Tat umgesetzt, nachdem das Gebäude auf Abbruch verkauft worden war.
Niemand hielt diese außergewöhnliche Perspektive auf einem Film fest. Wirkte hier noch die Erinnerung an die 1930er-Jahre nach, in denen die Räume der NSDAP und der Hitlerjugend im Amtshaus untergebracht waren? Oder war es die für Petershäger überraschende Einsicht, dass der erwartete Anblick des Schlosses beim Entfall der östlichen Bebauung ausblieb und stattdessen das südliche Schlossgelände, der Standort des ehemaligen Wehrturms, der noch 1648 auf dem Merianstich zu sehen ist, hervortrat? Die Baulücke schloss sich spätestens am 11. November 1959, dem Richtfest der heutigen Amtsverwaltung. Angeblich soll es doch ein Foto geben, ein Bekannter hat einen Freund, der einen Onkel hat, et cetera. (UJ)