29. Mai 1799
Gustav Hestermann (1919): In der Feldmark bei Petershagen fand Ende Mai 1799 ein Manöver statt, dem König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise beiwohnten. Am 29. Mai traf Friedrich Wilhelm mit der jungen Königin, die Petershagen zum zweiten Mal besuchte, von Lahde her mit der Fähre in unserer Stadt ein. Das Königspaar ging zu Fuß zu seinem Quartier, dem Landhaus des Geheimrats von Bessel. Als der König über den Brink kam, empfingen ihn die Petershäger mit Vivat-Rufen. Er äußerte sein Missfallen über das laute Schreien mit den Worten: „Man kann es gut meinen, auch ohne zu schreien.“ Mit dem König trafen Minister Haugwitz, vom Stein sowie Freiherr von Vinke in Petershagen ein. Es galt eine Entscheidung darüber zu treffen, ob Friedrich Wilhelm der zweiten Koalition (mit Großbritannien, Österreich, Russland u.a.) gegen Frankreich beitreten sollte. (…) Etwa 25 000 Soldaten nahmen an dem Manöver teil. Sie gehörten zu der seit 1796 in dieser Gegend stationierten Demarkationsarmee. Die preußischen Truppen bezogen am 25. Mai „auf dem Petershäger Holtze“ ein Lager, das sich von der Ziegelei (bei Morhoff) bis „unweit Kops Windmühle“ (auf der Tinniger Heide) erstreckte und beinahe an Eldagsen heranreichte. Der König musterte am 30. Mai das Korps, es folgten Übungen vom 31. Mai bis zum 2. Juni. Während der Manöver ritt der König häufig mit seinem Adjutanten durch den Ort, die Königin besuchte täglich das Lager. Ihre Bemühungen galten der Popularität beim Heer. Der Mindener Adel sowie die geistlichen und weltlichen Korporationen waren mit dem Anteil an Aufmerksamkeiten, die ihnen der König entgegenbrachte, wenig zufrieden. Eine hannöversche Offiziersdelegation, die aus über sieben Generälen bestand, wurde freundlich aufgenommen und täglich zum Mittagessen des Königs geladen, was die Eifersucht der preußischen Offiziere wach rief. Auf dem Vorwerksgarten vor dem Altstädter Tor hatte man für die königliche Mittagstafel einen Esssaal in der Größe von 50 Quadratfuß errichtet. Hinzu kamen ein Vorzimmer und eine Küche. (…) Die preußische Taktik unterstand auch bei den Übungen noch dem friderizianischen Drill, der Exerzierübungen in Regimentern vorsah. Es exerzierte sogar das ganze Korps, das aus sechs Infanterie- und vier Kavalerieregimentern mit dazugehöriger Artillerie in der Stärke von 25 000 Soldaten bestand, geschlossen und in Regimentskolonnen eine Schwenkung. Die Truppenschau brachte für die Petershäger eine Abwechslung mit sich, da die Last der Vorspanndienste nicht so sehr die Stadtbewohner, sondern die Bauern bedrückte. Auch die Gewerbetreibenden erzielten bessere Verdienste. Angesichts des hohen Besuches entfiel sogar der sonntägliche Gottesdienst, da sich zu wenige Petershäger in der Kirche einfanden. Das Königspaar, das nebenher noch die Erbhuldigung des Landes auf dem Schloss entgegennahm, hinterließ einen nachhaltigen Eindruck bei der Bevölkerung. Luise besichtigte mit ihrem Gemahl das Schloss, in dem sie als Prinzessin getanzt hatte. Beide schauten von der hohen Terrasse ins flache Wesertal hinab. Die Königin, in deren Begleitung sich die bekannte Gräfin Voß befand, fuhr täglich durchs Feldlager, „wo sie bei den Wachen anzuhalten und sich aufs leutseligste mit den Militärträgerpersonen zu unterhalten pflegte.“ Sah sie das drohende Unglück voraus? Wer weiß es! (Hestermann. Die Stadt an der Weser. 2006)