Die Ösper war für die Petershäger von je her von großer Bedeutung. Sie trieb das Wasserrad der Deichmühle und gab den Anliegern Wasser für das Vieh. Die Frauen benutzten das Wasser zum Waschen, Scheuern und Kochen. Die Anlieger hatten es bequem und sparten den Weg zur Straßenpumpe. Bei Bränden holte die Feuerwehr das Wasser zum Löschen aus der Ösper, z.B. 1929 beim Brand der Aufbauschule. Jeder, und zwar jeder richtige Petershäger wurde mit Ösperwasser getauft.
Wenn die Weser Hochwasser führte, floss die Ösper, allen Regeln der Natur zuwider, stromauf. Sonst war sie friedlich. Die Kinder konnten an und in ihr spielen, baden und mit Bottichen und Wannen paddeln. Die Jungen fingen oft mit Gabeln Fische, die im Wasser schwammen oder unter Steinen „standen“.
Die Ösper muß einst eine andere Mündung gehabt haben, denn der selsame Bogen um die Neustadt herum ist wohl erst beim Bau des Schlosses entstanden. Die Senke zwischen Alt- und Neustadt schaffte nicht die Ösper, sondem ein Bach, der vom Judenberg in die Weser mündete. Er hieß wahrscheinlich „Prospe“. Ein Überbleibsel waren die Sumpfwiesen (Schnepel und Bullen-Lange), wo heute die Sportplätze liegen. Auf den Sumpfwiesen feierten bis zum Anfang unseres Jahrhunderts die Petershäger Winterfeste (Zelte, Schlittschuhlaufen, Schlenkerschlittcn usw.).
Einmal, am 3. August 1909, ist die ruhige Ösper zu einem reißenden Bach mit einem Wasserfall geworden. Es regnete den ganzen Tag, auch nachts. Gegen 6 Uhr morgens hörten die in der Nähe des Hafens wohnenden Leute ein seltsames, unheimliches Tosen und Brausen. Die Ösper stieg bei Reinkings Wiese (wo sich der Bogen der Öspcr in die Stadt hinein befindet) über die Ufer und bahnte sich einen Weg durch die Gärten der Sack-, Kirch- und Schulstraßen-Anlieger zum Hafen. Man glaubte, es fahre ein Dampfer auf der Weser. Beim Blick durch das Fenster erkannte man, dass die sonst so friedliche Ösper mit Gewalt ein neues Bett (oder ein altes) suchte und große Wassermengen in den Hafen schleuderte. Ein Stück Boden nach dem anderen riss das Wasser in die Tiefe, auch die großen alten Weidenbäume. Ein etwa 10 m breiter und 8 m tiefer Graben war nun das Bett der Ösper.
Niemand hatte sich vorstellen können, dass die Ösper bei Hochwasser gefährlich würde. In den Sumpf- und Moorgebieten am Oberlauf, deren Wasser sie abführte, hatte man inzwischen Gräben zur Trockenlegung gezogen und führte jetzt in Regenzeiten und bei der Schneeschmelze größere Wassermengen als früher ab. Diese konnte die Ösper nicht schlucken und trat deshalb bei der starken Biegung am Nordteil der Stadt über die Ufer und schleuderte das Wasser mit Gewalt nach Osten.
Am Ende des Jahres fand in Petershagen unter Vorsitz des Landrates eine Stadtverordnetensitzung wegen der Ösperregulierung statt. Die Petershäger konnten wählen: Zuschütten des alten Ösperbettes und Ableitung des Baches in dem jetzt gewählten Bette, oder aber Errichtung einer nahen Mulde, die im Notfalle das Hochwasser direkt in den Weserhafen führen sollte. Die Mehrzahl entschied sich für das letztere. Im nächsten Jahr wurde die Mulde gebaut (wir Kinder waren oft da, denn wir sahen zum ersten Mal „Italiener“, die am Bau beschäftigt waren). Die Ösper hatte jetzt bei Hochwasser ein Bett. Der Durchbruch wurde 1912 mit einer Holzbrücke und 1924 mit einer Betonbrücke überspannt. Erst in unserer Zeit, im Jahre 1969/70 wurde endgültig die Mulde zum jetzigen Bett ausgebaut. Damit fließt die Ösper nicht mehr durch die Stadt. Eine Brücke erhielt sie nun bei Hinrichs, damit die Anlieger zur anderen Seile an ihre Gärten kommen.