Stadtrundgang Petershagen

Station 20 - Bessel'scher Burgmannshof

Die Familie von Bessel war eine bedeutende Adelsfamilie. Sie stellte von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhunderts hinein – also knapp dreihundert Jahre lang – den Fürstbischöfen von Minden, den Kurfürsten von Brandenburg und den Königen von Preußen hohe Regierungsbeamte. Mitglieder dieser Familie waren Geheimräte, Kanzler und Kammerdirektoren und wohnten und lebten mit ihren Familien auf diesem Hof. Es gab hier einen Vorgängerbau und auch einen zweiten Hof dieser Familie in der Neustadt, der als bischöfliche Kanzlei diente. Aus der Mindener Linie der Familie von Bessel ging der berühmte Königsberger Astronom Friedrich Wilhelm Bessel (1784–1846) hervor.

Der Bessel’sche Hof wurde 1765 als Neubau im Barockstil errichtet und ersetzte den etwa zweihundert Jahre zuvor (1563) erstellten Vorgängerbau. In den Besitz der Familie von Bessel ging der Hof 1573 über.

Das Gebäude hat im Lauf der Zeit erhebliche Umnutzungen erfahren. Es diente eine Weile als Gutshof, als Wohngebäude für die Lehrer der benachbarten Taubstummen- und späteren Blindenschule, ab 1949 als Schifferberufsschule des Kreises Minden-Lübbecke (bis 1994), als Kindergarten und schließlich (seit 2009/10) als Jugend-, Tagungs- und Gästehaus, ein Unterfangen, das gut angenommen wurde.

Die Restaurierung der Gesamtanlage erfolgte unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Belange und der Bauforschung in Zusammenarbeit mit dem LWL- Amt für Denkmalpflege in Westfalen sowie einer Reihe weiterer Institutionen.

Bessel'scher Burghof. Ansichtskarte 1910.

Samuel Ehrenreich von Bessel beherbergte im Mai 1799 das preußische Königspaar. Friedrich Wilhelm III. unternahm mit seiner Gemahlin, der Königin Luise, sogenannte Huldigungsreisen, die ihn von Mai bis Juli 1799 in die westlichen Landesteile Preußens und auch nach Petershagen führten. Den Anlass für den Besuch lieferte ein Manöver, das vom 31. Mai bis zum 2. Juni 1799 auf der Großen Heide, dem heutigen Gebiet des nordöstlichen Heisterholzes, stattfand.

Am 29. Mai traf Friedrich Wilhelm mit der jungen Königin von Lahde her mit der Fähre in unserer Stadt ein. Das Königspaar ging zu Fuß zu seinem Quartier, dem Landhaus des Geheimrats von Bessel. Als der König über den Brink kam, empfingen ihn die Petershäger mit Vivat-Rufen. Er äußerte sein Missfallen über das laute Schreien mit den Worten: „Man kann es (auch) gut meinen, ohne (so) zu schreien.“

Die Räumlichkeiten des Bessel’schen Hofes reichten für die zur königlichen Tafel geladenen Gäste nicht aus. Daher war südlich vom Gutshof, auf dem Vorwerksgarten vor dem Altstädter Stadttor, ein 500 Quadratfuß großer Saal nebst Küche und Vorzimmer erbaut worden, der den 200 Personen, die beim König zu Gast waren, Platz bot.

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Bessel'scher Burghof. Ansichtskarte 1930er-Jahre.

Die Königin fuhr täglich in Begleitung ihrer Hofdame in das Feldlager, „wo sie bei den Wachen anzuhalten und sich aufs leutseligste mit den Militärpersonen zu unterhalten pflegte.“ Ein Augenzeuge berichtet, wie sie der Straße nach Morhoff folgte und auf den linken Flügel des Manöverschauplatzes zufuhr. Ein einzelner Kavallerist, der neben ihrem Gefährt herritt, bahnte ihr einen Weg durch das dichte Gedränge der Zuschauer. „Mit dem freundlichstem Gesicht, wie ein Segen bringender Engel, sah die Holde rechts und links auf die wogende Menge ihrer Landeskinder, welche ihre Königin ohne Pracht und Glanz in einem ganz einfachen weißen Kleide und einem rosa Hütchen erblickte. Die Unvergeßliche ließ Schritt für Schritt fahren, sodaß wir alle Zeit genug hatten, die Ausgezeichnete zu betrachten. Als die Königin in der Mitte des Lagers den König traf, trat dieser an den Wagen und begrüßte sie mit den Worten: Wie geht’s, Luise? Die Königin antwortete: Sehr gut. Ich bin recht vergnügt. Wie geht es Dir? Die umstehenden Petershäger stellten aber mit Erstaunen fest: Die sprechen ja genauso wie wir!“

Uwe Jacobsen (2010)

Eröffnung der Jugendherberge im Bessel'schen Burghof am 6.6.2010

Station 20 - Bessel'scher Burgmannshof