Stadtrundgang Petershagen
Station 09 - Schloss Petershagen
Ein Hinweis vorweg …
Bitte beachten Sie, dass sich das Schloss Petershagen in Privatbesitz befindet und bis auf weiteres nicht frei zugänglich ist.
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Schloss Petershagen
Ein Auszug aus der Geschichte
Aufgezeichnet von Klaus Hestermann
Es war das Jahr 1306. Minden war seit dem Jahr 803 Bistum. Die Stadt hatte sich dem Hansebund angeschlossen. Ihre Kaufleute waren zu Wohlstand und Ansehen gekommen. Bischof Gottfried von Waldeck fühlte sich in der Ausübung seines geistlichen und seines weltlichen Amtes immer mehr eingeengt, zumal mehr und mehr Rechte für Finanz- und Waffenhilfe an die Mindener Bürgerschaft übergegangen waren. Und so suchte der Bischof „sichere Abstand“ zu diesen Bürgern und baute sich 1306 seine „Borg tom Petershagen“. Das feste Haus entstand am Einfluß der Ösper in die Weser bei den Orten Hiddessen und Hokeleve. Es waren ein dicker, runder Turm mit Kerker und ein wehrhafter „Palas“, der in das Wasser der Weser gebaut wurde. Ein Burggraben wurde ausgehoben, Wälle errichtet und die Burg unter den Schutz des Heiligen Gorgonius gestellt. Fortan hielten die Fürstbischöfe Hof in Petershagen. Das alte Hokeleve und die neue Stadt der Landesburg erhielten den Namen Petershagen.
Es waren die nachgeborenen Söhne großen adeliger Familien, die das Domkapitel zu Bischöfen berief. Sie waren aus einflußreichen Geschlechtern, z.B. dem Hause Braunschweig-Lüneburg, wodurch das Bistum dann starke Verbündete bekam. Doch diese „Geistlichen Herren“ waren keineswegs Bischöfe im heutigen Sinne. Sie waren Fürsten und Krieger mit allen Rechten und Pflichten, aber auch den Privilegien der damaligen Zeit. Die Bewohner der umliegenden Dörfer, die Bauern, wurden zu „Borgfesten“ verpflichtet, um die Wehranlagen der Burg in ständiger Wehrbereitschaft zu halten. Die Bewohner der neuen Stadt gelangten in den Bürgerstand. Sie durften ihren Bürgermeister wählen, ebenso die Ratsherren.
Seit 1556 konnten sie beim Bürgerschützenfest ihre Wehrtüchtigkeit friedlich unter Beweis stellen. Bei ritterlichen Spielen war das schon gefährlicher. So wird von einem Grafen Simon von Schaumburg, einem nahen Verwandten Bischof Gerhards II. berichtet: „Dieser Graf…ist ein freudiger mutiger Junger Herr gewesen, so sich mit Rennen, Turnieren, Stechen, Brechen und andern dergleichen Ritterspielen mehr dan zuviel geübt, darüber er auch zum Petershagen, in einem gesellenstechen zu schaden kommen, daß er Anno 1361 des Todes seyn müssen, und ist zu Obernkirchen begraben“ Um die Besetzung des Bischofsstuhls wurde Anfang des 15.Jahrhunderts während der Mindener Stadtfehde ein Streit geführt. Sollten das Domkapitel oder die Bürgerschaft das Recht haben, über die Wahl des neuen Bischofs zu bestimmen? Aus der Mindener Stadtfehde beschreibt Seminarlehrer Heinrich Lindemann ein Ereignis im Schloß Petershagen. „Stille des Todes und das Dunkel einer kalten Oktobernacht umlagerten das Bischofsschloß in Petershagen. Auf dem Turme stand seit der Frühe des vergangenen Morgens die Flagge der Herren von Rietberg auf Halbmast. Bischof Otto IV. lag aufgebahrt unten im großen Saale der Weserfeste. Einsam. Kein Mönch, kein Priester hielt die Totenwache. Zerstoben die Genossen eines wilden, lustigen Lebens. Vier hohe, bleich Wachslichter zu Haupt und Füßen des Toten. – Der Chronist aber schrieb in dieser Nacht in das große Buch der Geschichte, der tote Bischof sei in seinem Leben ein Geck und Verschwender gewesen und sei Feind alles Anständigen und Ehrbaren, sein Tod sei die Folge seines schlimmen Lebens.
Vor dem Schloßtor wurden Stimmen laut, Pechfackeln schwelen Laternen flackerten, ein Wagen knarrte heran. Pferdegetrappel und Waffenklirren. Der Wagen hielt, Reisige sprangen herab. Harte Schläge donnerten gegen das Tor. Die Schloßwache erschien hinter vergitterten Auslugen. Heftige Rede und Gegenrede. Mindener Abgesandte waren da und forderten im Namen des Domkapitels die sofortige Herausgabe des Toten und die Überführung nach Minden. Das Tor öffnete sich und lies die Mindener ein. Sie begaben sich ohne Förmlichkeiten in den Saal, schlossen den Sarg, hoben ihn auf ihre Schultern und setzten ihn draußen vor dem Tore auf den Wagen. Der wendete, vier kräftige Pferde zogen an, und im Trabe ging es zurück nach Minden. Hier wurde der seltsame Zug an der Domfreiheit von herbeieilenden Scharen schwerbewaffneter Bürger mit Hallo empfangen, zum Dome geleitet und der tote Bischof ohne Sang und Klang bei dem Altare des Apostels Matthäus bestattet.
Die Kriegslist glückte. Die Kapittelherren, die dem Drängen der Bürgerschaft gegenüber erklärten, an die Neuwahl des Bischofs sei so lange nicht zu denken, bis der tote Landesherr bestattet sei, würden lange Gesichter machen. “ Mit dieser List also hatten die Mindener Bürger die Herren des Domkapitels vor vollendete Tatsachen gestellt.
„Sie belagerten das Kapitelhaus, forderten ungestüm die Wahl Rudolf von Diepholz und drangen sogar in den Kapitelsaal, wo sie die Kanoniker mißhandelten und beschimpften Das Kapitel aber blieb standhaft und mit Erfolg. Am 14.Oktober gelang es dem Rektor der Annenkapelle und Dombauherren Johann Brandis, der Wahlversammlung ein Schreiben Herzog Heinrichs von Braunschweig in ein „Wollenbrot“ eingeschlossen durch ein Fenster zuzuwerfen, welcher ihnen die Wahl des Abtes Wulbrand von Corvey empfahl. Auf diesen Vorschlag einigte man sich sofort, lud, allerdings vergeblich, die Bürger zur Wahl ein und vollzog diese.
Der neue Bischof, der am 21.Oktober 1406 unter dem Schutz des Lüneburgers und einem Geleit vom 300 Reitern in Minden einzog, gelobt zwar, die Stadt Minden gegen jedermann verteidigen zu wollen, auch hielt er sich klug aus dem Streite der Parteien; aber die Mindener trauten ihm nicht und sahen es ungern, daß ihm neben dem Haus zum Berge auch das Schloß Petershagen überliefert wurde.“
Abt Wulbrand von Corvey jedenfalls blieb Bischof und residierte 30 Jahre in Petershagen. Die Mindener Stadtfehde endete 1410.
Ein ungestümer Landesherr, unverantwortlich in politischen Entscheidungen, war Bischof Franz I. von BraunschweigWolfenbüttel. Mit 16 Jahren zog er als gewählter Bischof in die Burg ein und blieb mit Unterbrechung 21 Jahre an der Regierung. Bei seinem Einzug soll er acht Tage mit seinen Untertanen gezecht haben. Es ging sehr weltlich am Hofe des Bischofs zu, und so nimmt es nicht Wunder, daß die seinerzeit zum Bischof gewählten Adelsherren die priesterliche Weihe nur selten erhielten.
Durch seine mächtigen Verwandten war Franz I. bald in die große Politik verwickelt. So in die Hildesheimer Stiftsfehde. Bei diesen Auseinandersetzungen überfiel er im Jahre 1518 Kaufmannszüge im Stift Hildesheim und brachte die Beute nach Petershagen. So nimmt es nicht Wunder, daß Ostern 1519 sein Gegner Johann von Hildesheim mit Gefolge vor der Burg in Petershagen erschien. 1000 Landsknechte, 400 Reiter, Männer mit Schaufeln, Äxten, Spaten und Kanonen, 100 Tonnen Pulver, Kugeln und Lot und vieles mehr wurden aufgeboten, um den „wilden Franz“ zu bekämpfen. Dieser lies die Häuser vor den Burgmauern niederbrennen um besseres Schußfeld zu haben. Doch dann überschaute er wohl die Aussichtslosigkeit seiner Lage und verschwand. Die Burg wurde bei den Kämpfen stark beschädigt. Aus jenen Tagen stammt die folgende Beschreibung: Petershagen ist eine ganz feste Burg, von der Weser, Gräben und dicken, hohen Wällen umgeben. Es war auch allerhand Munition und 301 bewaffnete Männer in der Burg … doch mußten sie sie gleichwohl übergeben, infolge unserer starken Beschießung.
Wir befinden uns nun im Zeitalter der Renaissance, der Reformation und müssen das turbulente Geschehen mit seinen geistigen und kriegerischen Auseinandersetzungen aus der Zeit heraus verstehen.
Als ein Mensch der Renaissance stellt sich der Bischof Franz II., Graf von Waldeck dar. Er regierte von 1530 bis 1553. Sein Leben war so recht ein Spiegelbild der damaligen Zeit. Während seiner Regierungszeit führte er den Umbau der Burg zu einem stattlichen Schloß der Renaissance durch. Sein Leben war bewegt und abwechslungsreich. So war er als Bischof von Münster die treibende Kraft, die dem sittenlosen Treiben der Wiedertäufer in Münster ein Ende setzte. Mit Nachdruck ersuchte er die damaligen Höfe um Unterstützung und Geld, um das „Neue Jerusalem Münster“ zu bekämpfen, wußte Franz II. doch, daß der „König Johan von Leyden“ mit seinen Gesellen und den volksverführenden Lehren die damalige soziale Ordnung ins Wanken bringen konnte. Franz II. zerschlug diese Bewegung und stellte die alte Ordnung 1535 wieder her. Er hängte die Verführer in eisernen Käfigen an den Lambertikirchturm zu Münster.
War er einerseits besorgt um die Ordnung im Lande, so hielt er auf dem Schloß einen prächtigen Hofstaat und wußte, das Leben zu genießen. Als Landesherr zur Zeit der Reformation zeigte er Anpassung an die jeweilige politische Lage. Von ihm heißt es: Bis 1535 war Franz II. Anhänger der alten Kirche, von da an war er mehr dem Evangelischen zugetan. Äußerlich gebärdete er sich seit 1547 als Katholik, um seine Stellung als Bischof zu wahren. So empfing er die Bischofsweihe 1541; Franz II., Bischof in Minden, Münster und Osnabrück.
Als Graf Franz von Waldeck 1530 als Bischof eingesetzt wurde … war bekannt, daß er im Konkubinat lebte. Und die Kirche hatte ein solches nie gebilligt. Aber immerhin war es eine Monogamie, deren viele Kirchenfürsten damaliger Zeit, denen die Ehe verboten war, sich nicht schämten. Gegenüber dem wüsten Geschlechtsleben des Verstorbenen (Franz I.) repräsentierte das des neuen Bewerbers um die Mitra einen wesentlichen Fortschritt. Seine „Lebensgefährtin“ Anna Pohlmann lernte Franz von Waldeck kennen, als er die Probstei in Einbeck besaß. Bei einem seiner ersten Ausgänge in Einbeck sah Franz die blühende Jungfrau mit bloßen Füßen an der Ilme stehen und waschen. Er betrachtete sie mit Wohlgefallen und sie errötete. Es war Anna Pohlmann, die Tochter des Leinewebers Bartold Pohlmann. Bald zog sie in die Probstei, beschäftigte sich im Haushalte und gebar einen Sohn, der in der heiligen Taufe den Namen des Vaters Franz erhielt. Die Verbindung des damals künftigen Mindener Landesherren und Petershäger Schloßbesitzers mit Anna Pohlmann muß eine sehr glückliche gewesen sein. Über allen Amtsärger … (in Einbeck) … tröstete sich Franz in den Armen seines geliebten Weibes, das ihm noch zwei Söhne gebar. Von diesen erhielt der eine den Namen des großen Entdeckers der Neuen Welt, Christoph. Der andere wurde von dem guten Schwiegervater aus der Taufe gehoben und erhielt dessen Namen Bartold.
Bei der Eroberung während der Hildesheimer Stiftsfehde war die Burg stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Befestigungsanlagen waren veraltet. Das Schießpulver hatte das Kriegshandwerk verändert. Vermutlich war die Burg aber auch den höfischen Ansprüchen des Bischofs nicht mehr standesgemäß genug.
Die gelungenen baulichen Veränderungen am Schloß Neuhaus bei Paderborn, an der Schelenburg bei Osnabrück und am Schloß Stadthagen veranlaßten den Bischof, den selben Baumeister für die Umgestaltung der Burg zu verpflichten. Dr.Soenke ist es zu verdanken, über die Steinmetzforschung den Baumeister des
Bischofs gefunden zu haben: Den Meister aus Tübingen, Jörg Unkair. Er hat die Burg Petershagen zu einem Schloß umgebaut, wie wir es vor allem im Schloßhof heute noch sehen. Dunkler Portasandstein als Bausubstanz wurde an Fenstern und Türeinfassungen mit hellem Obernkirchener Sandstein im Stabgitterstil geschmückt. Die Sandsteinarbeiten an der Wendeltreppe und das prachtvolle Wappen Franz II. nötigen uns Bewunderung ab. Leider sind manche Bauten der Schloßanlage wieder verschwunden: Torhaus, Rondelle, Befestigungswerke. Doch die erhaltenen Grundrisse zeigen, daß das Schloß einst eine ansehnliche Anlage war.
Ergänzend sei bemerkt, daß der Vater des Verfassers, Gustav Hestermann, bereits 1930 architektonische Übereinstimmungen bei den Treppenhäusern von Schloß Stadthagen, Schloß Detmold und Schloß Petershagen feststellte und einen Baumeister vermutete.
Ebenso konnte er anhand der Geldregister in den „Schaumburger Akten des Staatsarchivs Münster“ die Umgestaltungsarbeiten beschreiben, so den Ausbau des Slachtehus und der prachtvollen Wendeltreppe von 1545.
Und weiter wurde am Schloß gebaut. 1560 errichtete Bischof Gerhard von Braunschweig-Lüneburg das sogenannte „Neue Haus“ mit Festsaal und Kirche. Durch eine Galerie auf kunstvoll behauenen Konsolen waren beide, das neue und das alte Haus, miteinander verbunden. Mit der Huldigung der Stände an den neuen Landesherren, den Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg, im Festsaal, enden die historisch bedeutenden Zeiten im Schloß Petershagen.
Über die Huldigungs-Feierlichkeiten ist dem Buch des Kurfürstlich-brandenburgischen Consistorialrats Schmidt folgende Aufzeichnung zu entnehmen: Am Dienstag war der 12.Februar, kamen seine Churfürstliche Durchlaucht abermal mit vielen vornehmen Herren zur Huldigungs Predigt. Nach gehaltener Predigt gewann die Erb- und Landes-Huldigung auff dem Schloß im großen Saal ihren Fortgang solcher Gestalt, daß auff deme dazu auffgebaweten Theatro einer von den Keyserl.Mayt.eine Oretion hielte…und sie darauff an seine Churfürstl.Durchl. als ihren rechten Landes-Herren und Vatter hinwieder verweisete.
Noch einmal erlebte das Schloß unter dem Stadthalter Graf Johan von Sayn-Wittgenstein eine glänzende Hofhaltung. Selbst ein Tanzmeister wurde beschäftigt. Die Schloßkapelle wurde als reformierte Kirche benutzt und ein Hofprediger bestellt.
1667 wird das Schloß als Regierungssitz aufgegeben, man zieht nach Minden um. Das Gebäude war noch eine Zeitlang Wohnsitz von Regierungsbeamten. Durch vielerlei Umstände verkam und verfiel das Schloß in den darauffolgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten.
Im Jahre 1901 kaufte der Großvater des Verfassers, Heinrich Hestermann, das Schloß und rettete somit die gesamte Anlage. Auch die heutige Generation bekennt sich zu diesem historischen Erbe. Seit der Eröffnung als Schloßhotel 1967 sind die Räumlichkeiten und der Festsaal gastronomischer Anziehungspunkt.
Das Gebäude aber ist heute Wahrzeichen der Stadt und Stolz der Bürger.
Klaus Hestermann
Literaturhinweis
–> Link: Gustav Hestermann: Das Schloss an der Weser.