Stadtrundgang Petershagen

Station 06 - Petrikirche Petershagen

KIRCHE AM SITZ DER FÜRSTBISCHÖFLICHEN VERWALTUNG

Die Petrikirche in Petershagen gehört zu den geschichtlich, kirchengeschichtlich und kunsthistorisch bedeutendsten der neun unter Denkmalschutz gestellten Kirchen in der Stadt Petershagen.

Die Petrikirche, 1363 gegründet, war die Hauptkirche am Sitz der Verwaltung des Bischofs und Fürstbischofs von Minden auf der Burg Petershagen (seit 1306) und – nach dem Heimfall des Bistums Minden an Brandenburg im Westfälischen Frieden 1648 – von 1649 bis 1669 auch die Hauptkirche am Sitz der brandenburgischen Verwaltung des Fürstentums Minden und der Grafschaft Ravensberg auf Schloss Petershagen. Nach der Reformation bis Anfang des 20. Jahrhunderts übte der Erste Pfarrer dieser Kirche (pastor primarius) das Amt des Superintendenten, von 1841-1843 auch das Amt eines Präses der westfälischen Provinzialsynode, für diesen Raum aus. Dadurch besitzt die Petrikirche eine herausgehobene Stellung in der Region. Auch ist sie stilgeschichtlich bemerkenswert.

Nach der Übersiedlung der Verwaltung des Bistums Minden von Minden nach Petershagen im Jahre 1306 entstand neben der bereits vorhandenen Altstadt die Petershäger Neustadt. In ihr ließ der Mindener Bischof 1363 die Petrikirche bauen. Sie ersetzte die Johanniskirche in der Petershäger Altstadt. Die Petrikirche wurde 1519 und 1553 bei kriegerischen Auseinandersetzungen der Bischöfe von Minden mit verfeindeten Fürstenhäusern zerstört. Die nach der letzten Zerstörung errichtete Holzkirche wurde in den Jahren 1615-1618 durch die heutige ersetzt.

ERICH REINHARDT – EIN SCHAUMBURGER BAUMEISTER

Architekt war Erich Reinhardt, der vermutlich auch die Bückeburger Stadtkirche geplant und gebaut hatte. Die Petrikirche ist nach ihrem Vorbild gestaltet worden. Sie ist eine dreischiffige aus Sandstein errichtete Hallenkirche. In ihrer Raumgestaltung wird noch der Einfluss der Spätgotik deutlich. Bei Restaurierungsarbeiten in den Jahren 1969-1971 sind an den Seiten und im Chorraum die 1840 eingebauten Emporen – sie verdunkelten die Kirche sehr – entfernt worden. Das hat bewirkt, dass heute der lichte, gotische Charakter der Hallenkirche ausdrucksstark zur Wirkung kommt.

DIE PETRIKIRCHE PETERSHAGEN BESITZT KUNSTWERKE VON HOHEM RANG

Von besonderer geschichtlicher Bedeutung ist das steinerne Epitaph für Engelbart von Bessel († 1567) und seine Gemahlin Johanna von Schaumburg († 1599). Engelbart von Bessel, aus dem Raum Hannover stammend, stand als Oberamtmann und Kammerherr im Dienste des Bischofs von Minden auf Schloss Petershagen. Er und seine Frau Johanna sind die direkten Vorfahren des weltberühmten Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel, der in den Jahren 1810-1813 die Königsberger Sternwarte aufgebaut hat, bis 1846 deren Direktor war und zugleich als Professor für Astronomie an der Königsberger Universität „Albertina“ lehrte.

Mehrere an der Petrikirche wirkende Erste Pfarrer, die zugleich das Amt des Superintendenten in der Region ausübten, haben sich regional, aber auch überregional große Verdienste im Bereich von Theologie, Schul- und Lehrerausbildung erworben. Das hat auch in der wissenschaftlichen Literatur ihren Niederschlag gefunden.

Wilhelm Seele, Beauftragter für Baudenkmalpflege der Stadt Petershagen (2007)

DIE PETRIKIRCHE UND IHRE VORGÄNGERBAUTEN

  • 1243 – Erste Nennung einer Kapelle zum Heiligen Kreuz in Hokelve, dem Ursprung Petershagens.
  • 1345 – Hokelve wird als Pfarrei erwähnt. Dies deutet auf das Bestehen der Pfarrkirche St. Johannis hin.
  • 1363 – Gründung der Petrikirche (Bau I.) in der Neustadt Petershagen.
  • 1519 – Zerstörung und Wiederaufbau der Petrikirche (Bau I. und II.) in der Hildesheimer Stiftsfehde (1519-1523).
  • 1553 – Zerstörung der Petrikirche (Bau II.) und der Altstädter Johanniskirche im Zweiten Markgrafenkrieg (1552-1554).
  • 1554 – Wiederaufbau der Johanniskirche.
  • 1565 – Wiederaufbau der Petrikirche (Bau III.) als provisorischer Fachwerkbau.
  • 1615 – Vierter Bau der Petrikirche (1615-1618).
  • 1819 – Abbruch derJohanniskirche.
  • 1971 – Erste Renovierung (1969-1971).
  • 2006 – Zweite Renovierung (2006-2009, 2015).

KUNSTDENKMÄLER

ALTAR

  • Gotisches Holzkreuz aus den Vorgängerbauten der Petrikirche. Die Geschichte des Kruzifixes ist nur lückenhaft überliefert. 

TAUFSTEIN

  • 1647 – Am 5. und 6. Juli 1647 wurde der Taufstein „im Namen Gottes glücklich geleget und gesetzet“ aufgrund einer Stiftung des Kanzlers von Hollwehde, dessen Gemahlin Agnes Reiche 1646 in einem Erbbegräbnis in der Petrikirche beigesetzt worden war. Obernkirchener Sandstein, achteckig, dreigliedrig: Fuß, Mittelteil und Taufbecken, versehen mit vier Wappen und Köpfen, im Stil der Renaissance gehalten.

ORGEL

  • 1977 – Detlef Kleuker Orgelbau (Brackwede). Disposition von Prof. Arno Schönstedt (1913-2002). 19 Register, 2 Manuale und Pedal. Orgelweihe am 12. Juni 1977.

KRONLEUCHTER

  • 1647 – Große Leuchterkrone aus Messing. Gestiftet 1647 von Amtmann Rudolf Schröder aus Schlüsselburg. Die Krone soll früher in einem Saal zu Worms gehangen haben, wurde dann nach Bremen verkauft , wo der Schwager von Magister Julius Schmidt, Hermann Sarninghausen aus Lavelsloh, sie erwarb. An ihrem Platz hängt sie seit dem 6. August 1647. 
  • 1668 – Kleine Messingkrone im Jahre 1668 „für 42 Taler gekauft und unten in der Kirche vor der Taufe“ aufgehängt.

 

EPITAPHIEN IM CHORRAUM

  • Um 1654 – Hollwehde’sches Epitaph. Kanzlers Johann Ernst von Hollwehde (Nordosten)
  • 1567 – Bessel’sches Epitaph. Kanzler Engelbart von Bessel und Johanna von Schaumburg. Steinmetz Friedrich Meersmann († 1584) (Südosten). 
  • 1642 – Bußmann’sches Epitaph. Magister Antonius Bußmann. Superintendent zu Zeit des Kirchenneubaus 1615-1618.

ALTSTÄDTER EPITAPHIEN

  • 1737Schiepel’sches Epitaph mit „Drei Frauen-Motiv“, Johann Georg Schiepell (1737), Bergkirchener Sandstein (Maße 0,55 x 0,44 x 0,11 m)
  • 1704Krüger’sches Epitaph mit „Drillings-Motiv“, Kreuzesdarstellung, Familienwappen und Zierwerk. Jochem Kruger und Catharina Ilseben Stuwit (1704), Bergkirchener Sandstein (1,58 x 0,95 x 0,23 m )
  • UndatiertWappenstein mit Hausmarke auf dem Schild, 18. Jahrhundert, Bergkirchener Sandstein (0,80 x 0,60 x 0,22 m)
  • Um 1670Van der Marck’sches Epitaph mit Frauenfigur, Torbogen, Steinkopfornament, Säulen, Kapitellen und Familienwappen, davon optisch rechtes Wappen mit Hausmarke, Maria van der Marcke, Portaner Sandstein (1,00 x 0,55 x 0,22 m)

EPITAPHIEN IM AUSSENBEREICH

  • 1723 – Thüren’sches Epitaph. Obernkirchener Sandstein. (Maße 1,62 x 0,98 m). NASCENTES MORIMUR, FINISQUE AB ORIGINE PENDET. WAS DIE GEBURTH ZUGLEICH / DER ERDEN HAT GEZEICHNET / HATT SICH NUN WIEDERUMB / IN DIESES GRAB GENEIGET. 
  • 1715Gedenkstein zur Errichtung der ehemaligen Friedhofsmauer 1715. Sie umgab den Kirchhof und wurde 1893 im Zuge der Erweiterung der Hauptstraße abgebrochen. Seit 1934 befindet sich der Gedenkstein an dem heutigen Platz. 

SPÄTGOTISCHES MASSWERK

  • Ein „Dreischneuß“. Das Spätgotische Fischblasen-Maßwerk im Westfenster. 

SONNENUHR

  • 1648 – Stiftung des „Uhrweisers“ der Sonnenuhr durch Johann Behre. Die heutige Sonnenuhr ist eine Stiftung von Kurt Sandermann (Heisterholz) aus dem Jahr 2009. 

GLOCKEN

LITERATUR

Bremme, Rüdiger: Graf Johann von Holstein-Schaumburg, seine Frauen und seine Kinder (1512-1599). Sonderdruck. Münster: Aschendorff 2004 (= Beiträge zur Westfälischen Familienforschung 2004. Herausgegeben im Auftrag der Westfälischen Gesellschaft für Genealogie und Familienforschung von Jörg Wunschhofer, Bd. 62). 

Großmann, Karl: 600 Jahre Petrikirche Petershagen. Minden: Sonderdruck, 1963.

Jacobsen, Uwe: Die Spur der Steine. Ein Beitrag zur Aufstellung der Altstädter Epitaphien in der Petrikirche von Petershagen. In: Heimatblätter. Mitteilungen des Vereins der Ortsheimatpflege Petershagen. Petershagen 2011.

Ludorff, Albert: Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Kreis Minden (Band 11). Bearbeitet von Albert Ludorff. Mit geschichtl. Einleitung von Dr. Wurm. Mit 2 Karten und 442 Abb. auf 72 Lichtdrucktafeln, 6 Clichetafeln und im Text. Münster, Schöningh, 1902. 134 S. und 78 Tafeln. Kl.-Folio.

Redaktion und Tabellen: Jac (2020)

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