1715 | Gedenkstein zur Errichtung der Kirchhofsmauer

Anno 1715 ist diese Maur aus
dem Grund neugebaut.
Wan sich aber ein Schade daran sehen lassen
wurde undt die Angesessnen demselben
nicht so gleich verhemmen, sie als dann
gehalten sein solche Reparation aus ihren
eigen Mitteln zu gestehen (*)
David Schwier (*)
Caspar Lange (*) J:Michael Hesse (*)
Johan Cord Hollo (*)

Außenmaße: 1,95 x 1,22 Meter
Schildmaße: 1,57 x 0,85 Meter

Ein beredsames Beispiel barocker Gestaltungskunst stellt der Gedenkstein aus der Umfassungsmauer des ehemaligen Petri-Kirchhofes dar, der sich seit dem Jahr 1934 zwischen den beiden abgetreppten Strebepfeilern in der südwestlichen Außennische der Petrikirche befindet. Sein künstlerischer Wert ergibt sich dabei nicht aus der Verwendung barocker Motivik, wie sie zum Beispiel in den heraldischen Formen der Petershäger Epitaphien in Erscheinung tritt, sondern aus seiner funktionellen Bodenständigkeit sowie der symmetrischen und typographisch-geschlossenen Anlage.

Der säkulare, nicht epitaphe Stein weist die inhaltliche Besonderheit auf, dass er neben seiner Gedenkfunktion – die Erinnerung an die Errichtung einer steinernen Kirchhofsmauer im Jahr 1715 – einen Vertragstext überliefert, der in Jahrhunderte überdauernder Weise an dem heute nicht mehr vorhandenen Vertragsgegenstand – der besagten Kirchhofsmauer – angebracht worden war. 

Wir verdanken den Erhalt und die Aufstellung dieses Denkmals dem Petershäger Historiker Dr. Karl Grossmann. So notiert er in der Chronik des Jahres 1934:

„Vor der Vernichtung gerettet wurde eine Inschrift auf einer Steinplatte, die früher in der Mauer um die Kirche sich befunden, zuletzt aber als Türschwelle gedient hatte. Die Inschrift wurde erneuert, und in einer Nische der Kirche fand die Platte eine neue Aufstellung.“

1715 | GEDENKSTEIN

Grossmann (1944) widmete sich in mehreren Veröffentlichungen diesem Gedenkstein. Er griff dabei im Wesentlichen auf die Aufzeichnungen des Magisters und Generalsuperintendenten Julius Schmidt zurück, die dieser im Protokollbuch der Kirchengemeinde festhielt. Wenn in dieser Quelle von einem „Kirchhof“ die Rede ist, so ist hiermit die umbaute Umgebung der Petrikirche gemeint. Sie war im Jahr 1646, dem Jahr, in dem Magister Schmidt mit seinen Aufzeichnungen begann, nicht eingefriedet und von allen Seiten zugänglich. Man benutzte ihn unter anderem als Platz für die Fuhrwerke, nicht nur zu den Zeiten der Gottesdienste. Die Anwohner lagerten ihr Holz darauf und ließen sogar das Vieh, Hunde, Schweine und Hühner frei auf dem Gelände herumlaufen. Der sogenannte „Aufwecker“, ein Junge, der während der Gottesdienste die Kirchenbesucher wachzuhalten hatte, besaß daher auch die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich das Vieh aus der Nachbarschaft nicht in die Kirche verirrte. Resümierend stellte Schmidt über den Zustand des Kirchhofes fest: „Im übrigen war rund um die Kirche eine gemeinde Kloake“. 

 

1715 | GEDENKSTEIN (ZEICHNUNG)

Die Gemeindemitglieder versuchten zunächst durch das Errichten eines Holzzaunes, der auf der Grundlage einer Spendenliste errichtet werden sollte, den Missstand zu beseitigen. Aber „als es ans Bezahlen ging, zogen sich viele zurück.“ Gleich nach der Errichtung des Zaunes protestierte der Kaufmann Berend Sehliger, dessen Haus im Osten an die Kirche angrenzte, dass ihm mit der Aussicht zum Marktplatz ein Teil seines Erwerbs genommen worden sei. Da die Haltbarkeit des Zaunes begrenzt war, ersetzten ihn die zur Pfarre gehörenden Einwohner im Jahr 1672 durch eine Bruchsteinmauer. Das Baumaterial wurde aus den Bückeburger Steinbrüchen herangeholt.

Nach etwas mehr als vierzig Jahren erwies sich nun auch diese Mauer als baufällig. Die Kirchengemeinde übernahm 1715 die Reparatur. Aus Anlass der Neuerrichtung, die von Grund auf erfolgte, stifteten vier Altarmänner – ein Amt, das in etwa mit dem des heutigen Kirchmeisters zu vergleichen ist – David Schwier, Caspar Lange, Michael Hesse und Johan(n) Cord Hollo den vorliegenden Gedenkstein. Er verpflichtete die Petershäger dazu, alle in Zukunft auftretenden Schäden an der frisch renovierten Mauer aus eigenen, sprich Mitteln der städtischen Gemeindemitglieder zu bestreiten, da ja nur die Stadtbewohner, und nicht etwa die zur Pfarrei gehörenden Bewohner der umliegenden Dörfer, für auftretende Schäden in Frage kamen. Praktischerweise gab die Kirchengemeinde ihre Anordnung gleich an der Mauer selbst bekannt.

Uwe Jacobsen (2020)