Nr. 287 | Der Hempellsche Burgmannshof

Dr. Karl Großmann (1896-1981)

Die Burgmannshöfe und Freien Häuser in Petershagen
Stadtarchiv Petershagen | Typoskript 1937

Die alten Burgmannshöfe
Der Hempellsche Burgmannshof

Der heute noch teilweise in seiner ursprünglichen Form bestehende Hempell­sche Burgmannshof befand sich im Anfange des 16.Jahrhunderts im Besitze der Familie von Barckhausen, die schon bald nach der Gründung des Schlosses in der Reihe der Burgmänner genannt wird. Da sie aber verschiedene Burg­mannslehen innehatte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, seit wann sie auf diesem Burgmannshofe sitzt.

Aus einem Briefe der Witwe Reineckes von Wendt aus dem bekannten lippi­schen  Adelsgeschlechte geht hervor, dass ihr Sohn Simon (gestorben 1548) den Burgmannshof von den Brüdern Claus und Ernst von Barckhausen gekauft und seinen Bastardkindern gegeben habe. Das sind wohl die Brüder Reinecke und Evert v. Wend gewesen, die 1565 unter den Spendern zum Kirchenneubau erscheinen und deren Erbe Reinart um 1600 gestorben sein muss.

Einen neuen Besitzer fand der Hof in der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges in dem Kanzler des Fürstentums Minden Kaspar Klocke, der im Jahre 1627 nach Petershagen kam. Beim Vordringen der Kaiserlichen, die den katho­lischen Bischof Franz Wilhelm von Osnabrück auch in dem längst evangelisch gewordenen Bistum Minden einsetzten, musste der Kanzler Petershagen ver­lassen und fand Zuflucht in Bremen.1634 kehrte er auf seinen Posten zurück, legte ihn aber 1636 nieder und siedelte nach Braunschweig über, wo er schon seit 1623 ein eignes Haus besaß und im Jahre 1655 starb.

Den Hof in Petershagen überließ er seiner Nichte, Anna Auguste Brandi, die er im Jahre 1616, da er selbst kinderlos war, an Kindes Stelle angenommen hatte. .Sie heiratete im Jahre 1635 den Drosten Johann Daniel Becker. Aus ei­ner alten Mindener Beamtenfamilie stammend – der Großvater war schon Kanzler des Bistums gewesen – wurde Johann Daniel Becker, der als Droste auf dem Reineberg saß, im Jahre 1666 von Kaiser Leopold geadelt, allerdings ent­sprechend der damals weit verbreiteten Unsitte unter Französisierung des Na­mens in von Becquer.

Etwa 150 Jahre lang blieb der Hof im Besitz der Familie, bis schließlich die Er­ben des verstorbenen Hofmeisters v. Becquer – es waren nur noch Töchter da – im Jahre 1798 den Hof zum Zwecke der Erbauseinandersetzung öffentlich zum Verkauf anboten. Von dem im Jahre 1758 noch vorhandenen Grundbesitz in der Größe von 32 Morgen war nicht mehr viel übrig. Der Hof bestand aus ei­nem großen, mit mehreren Stuben, Kammern, Kellern, einer Küche und Bo­denraum versehenen Wohnhaus, einer geräumigen Scheune und einem Waschhaus. Dazu kam noch Garten- und Ackerland von etwa 4 Morgen, dar­unter befand sich die als Gartenland benutzte frühere Rossmühle an der Gra­benstrasse.

Als Käufer fand sich der Tabakfabrikant Ernst Konrad Iffland aus Versmold, der den Hof für 2000 Taler erwirbt und dorthin die Fabrik verlegt, wie er unter dem 8.III.1798 allen Geschäftsfreunden in den „Mindenschen Anzeigen“ bekannt gibt. Er musste aber erst 5500 Taler an Reparaturgeldern in den Hof hineinste­cken.

Die politische Umwälzung der Franzosenzeit, durch die im Jahre 1810 Peters­hagen von dem Königreiche Westfalen an das Kaiserreich Frankreich kam, machte dem Betrieb ein Ende, da in Frankreich die Herstellung und der Ver­trieb des Tabaks Monopol des Staates war. Iffland zog nach Herford und starb dort als armer Mann. 

Die Witwe konnte den Hof nicht halten und übertrug ihn im Jahre 1814 an den Mindener Kaufmann Wilhelm Heinrich Becker der auf dem Hofe eine Hypothek von 3000 Talern stehen hatte und außerdem noch nicht gezahlte Zinsen zu fordern hatte. 

Die Erben des bald darauf verstorbenen Beckers verkauften im Jahre 1816 den Hof an die Witwe des Kaufmanns Hempell aus Minden, Dorothea Elisabeth, ge­borene Behrens, die als Miteigentümer drei ihrer Söhne eintragen ließ. Der Kaufpreis betrug 1550 Taler, ohne dass die auf dem Hofe liegende Hypothek von dem neuen Besitzer übernommen wurde. 

Schließlich übernimmt der Lederfabrikant August Wilhelm Hempell von seinen Brüdern den Hof und richtet dort im Jahre 1817 eine Lohgerberei ein, die bis zur Jahrhundertwende bestanden hat. 

Die zum Hofe gehörigen Burgmannsgerechtigkeiten wurden zwar bei der An­lage des Katasters um 1818 beansprucht, konnten aber nicht urkundlich nach­gewiesen werden. Der Hof schied daher 1830 auf Wunsch des Besitzers aus der Gerichtsbarkeit des Oberlandesgerichtes Paderborn aus.

Die Familie Hempell, in deren Besitz der Hof noch heute ist, hat diesen bis 1920 etwa selbst bewohnt. Heute wohnt sie in einem der beiden neben der Einfahrt zu dem Burgmannshofe befindlichen Häuser, die sie inzwischen ange­kauft hat. Der alte Burgmannshof ist vermietet. Allzu lange dürfte er wohl nicht mehr bestehen bleiben, da eine Wiederherstellung des fast 600 Jahre alten Gebäudes sehr große Kosten erfordern würde.

(Quellen: Stadtarchiv Petershagen, Nachlass Grossmann, Typoskript 1937, Die Orthographie folgt dem Original. Großmann, Karl: Die Burgmannshöfe und Freien Häuser in Petershagen. In: Mindener Jahrbuch Bd. 9 (1937/38), S. 161-182. Monumenta germaniae historica URL: https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a144197.pdf)

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15. September 1962
Das Mindener Tageblatt berichtet ganzseitig über den Hempellschen Burgmannshof und hält fest: „Allzu lange dürfte er nicht mehr bestehen bleiben, da eine Wiederherstellung des fast 600 Jahre alten Gebäudes sehr große Kosten erfordern würde.“

17.-18. Juni 1968
Der südliche und westliche Gebäudeflügel des Hempellschen Burgmannshofes sind bereits abgerissen worden. Der Nordflügel schloss sich an.

Frühlingsidyll 1931. Blick nach Westen in Richtung Grabenstraße. Familie Hempell im Innenhof des südwestlichen Burgmannshofes von Petershagen. Rechts im Bild: Der Hof besaß eine Pumpe zur Wasserversorgung. Große Teil der im Burgmannshof gelagerte Archivalien gingen beim Abbruch verloren. Foto: Jac.