1938 | Die Burgmannshöfe und Freien Häuser in Petershagen
Die Burgmannshöfe und Freien Häuser in Petershagen
Stadtarchiv Petershagen | Typoskript 1937
Teil I.
1. Die Entstehung der Burgmannshöfe und Freien Häuser.
2. Die Stellung der Burgmänner zur Stadt Petershagen.
3. Die Stellung der Burgmänner in der Landesverwaltung.
4. Die Stellung der Burgmänner zur Kirche.
5. Die Aufhebung der Burgmannsgerechtigkeiten.
Teil II.
- Die adligen Burgmannshöfe.
6.1 Der Hiddenser Hof oder Hollwehdesche Burgmannshof.
6.2 Der Besselsche Hof auf der Altstadt.
6.3 Der Besselsche Hof in der Neustadt.
- Die alten Burgmannshöfe.
7.1 Der Hempellsche Burgmannshof.
7.2 Der Mülbesche Burgmannshof, heute die katholische Pfarre.
7.3 Der Nagelsche oder Gadensche Burgmannshof.
- Die Freien Häuser der Geistlichen.
8.1 Der Schmidtsche oder Vethackesche Hof.
8.2 Das Freihaus des Reformierten Pfarrers.
- Die übrigen Freihäuser.
9.1 Der Wehkingsche Hof in der Fischerstadt.
9.2 Die andern Freien Häuser von Petershagen.
1. Die Entstehung der Burgmannshöfe und Freien Häuser.
Eine zusammenfassende Darstellung über die Burgmannshöfe von Petershagen hat zum ersten Mal von der Horst in seinen Buche „Die Rittersitze der Grafschaft Ravensburg und des Fürstentums Minden“ gegeben. Seine Angaben sind bei dem weiten Rahmen, den er sich gesteckt hatte, noch recht lückenhaft. Von einigen Höfen kennt er nicht mehr als die bloßen Namen, die er der Mindener Kirchengeschichte von Schlichthaber entnommen hat. Er kommt dabei auf neun, wenn man den zweiten Besselschen Hof mitrechnet, auf zehn Burgmannshöfe. Dieselbe Zahl gibt auch Stohlmann in seinen „Erinnerungen aus Mindens Geschichte“, wenn dieser auch den Besselschen Hof als „Adliges Gut“ aus der Reihe der Burgmannshöfe besonders herausstellt.
Alle diese Angaben gehen aber von der falschen, auch heute noch in Petershagen verbreiteten Ansicht aus, dass sämtliche steuerfreien Häuser Burgmannshöfe gewesen seien. In Wirklichkeit ist die Zahl der echten Burgmannshöfe kleiner, wenn man als solche nur bald nach der Gründung des Schlosses entstandenen Höfe bezeichnet. Es sind also die Höfe, die im 14. Jahrhundert entstanden sind. Ihre Inhaber waren wirklich noch Burgmänner, denen der Bischof die Verteidigung des Schlosses anvertraute. In vielen Fällen wohnten diese Burgmänner, in den Urkunden meist als „Castellani“ bezeichnet, in der Burg selbst. In Petershagen kam das aber kaum in Frage, da das im Jahre 1305 erbaute Schloss Residenz des Bischofs von Minden selbst und auch Sitz der Verwaltung das Bistums wurde. Infolgedessen mussten besondere Wohnungen für die Burgmänner geschaffen werden.
So entstanden damals vier Burgmannshöfe, denen außerdem noch zwei Aufgaben zugedacht waren. Einmal sollten sie den Siedlungskern für die noch im Entstehen begriffene heutige Altstadt abgeben. Wie wir es auch an vielen andern Orten finden, war die Zeit um 1300 der Entstehung geschlossener und befestigter Siedlungen besonders günstig. In der Mindener Feldflur entstanden damals eine ganze Reihe von Wüstungen, weil ihre früheren Bewohner in die Stadt gezogen waren. Das alte aufgelockerte Hockeleve, das wohl ein unregelmäßiges Haufendorf gewesen war, zog sich nun in die Gegend zwischen Schloss und Johanniskirche – auf den heutigen Heldenhain – zusammen. Hier entstand östlich der Hauptstrasse die sogenannte Fischerstadt, in deren Mittelpunkt noch heute ein Burgmannshof sich durch seine Größe und stattliche Bauweise besonders hervorhebt. Es ist das Haus Fischerstadt Nr. 6, Besitzer Friedrich Wehking, das, an der Kreuzung von vier Strassen gelegen, die kleinen niedrigen Häuser der Fischerstadt völlig beherrscht.
Die drei andern alten Burgmannshöfe lagen am Westrande der Altstadt, und zwar unmittelbar nebeneinander in einer Linie, welche diesen Stadtteil im Westen abschloss. Wirft man einen Blick auf den heutigen Stadtplan, so tritt östlich der Hindenburgstrasse die dicht besiedelte Fischerstadt deutlich hervor. Das westliche Gegenstück hat nur die geschlossene Häuserreihe der Hauptstrasse, während der übrige Teil bis zur Grabenstrasse leer von Häusern und meist von Gärten bedeckt ist. Nur zwei größere Bauten fallen in diesem Gelände auf: im südlichen Teile der Hempellsche Hof und im Norden das katholische Pfarrhaus, die beide ehemalige Burgmannshöfe sind, richtiger vielleicht Reste der alten Höfe darstellen. Weiter, nördlich in der Verlängerung, dieser Reihe stand noch ein dritter Hof, der aber ganz abgebrochen ist. Er schloss sich unmittelbar an die Westseite der Apotheke an und reichte wohl auch in das Gebiet des Amtsgerichtes hinein.
Diesen drei zuletzt erwähnten Höfen lag als dritte Aufgabe ob, die Verteidigung des Westrandes der Altstadt zu sichern, der besonders gefährdet war, da hier der Schutz durch die Oesper fehlte. Sieht man sich die dicken Mauern des Hempellschen Hofes mit ihren kleinen schiessschartenartigen Kollerfenstern an, so kann man sich schon vorstellen, dass wir es hier mit einer kleinen Festung zu tun haben.
Diesen Pflichten, Schloss und Stadt für den Landesherrn zu sichern, standen auch bestimmte Rechte gegenüber. Neben der Wohnung, die, wie wir gesehen haben, zur Verfügung gestellt wurde, musste auch für einen standesgemäßen Lebensunterhalt gesorgt werden. Das geschah in der Weise, dass neben dem eigentlichen Hofe noch ein bestimmter Grundbesitz verliehen wurde. Dieser war wohl meist an bestimmte Bauern verpachtet, die dann durch Lieferung von Lebensmitteln zum Unterhalte der Familie des Burgmanne beitrugen. Die mit dem Burgmannslehen verbundenen Grundstücke brauchten aber nicht in oder bei Petershagen liegen. Wir finden sie vielmehr im ganzen Bistum verstreut, und es kommt auch vor, dass bei Petershagen Grundstücke lagen, die auswärtigen Burgmännern als Lehen verliehen wurden.
Daneben gab es aber noch eine Reihe von Rechten, die alle Burgmänner gleichmäßig für sich in Anspruch nahmen. Das sind die sogenannten Burgmannsgerechtigkeiten, die uns Culemann überliefert hat und zwar in dem der Familie v. Bessel gewidmeten Abschnitt seiner „Denkmahle des Mindenschen Adel“. Die Abschrift der von ihm benutzten Urkunde stammt allerdings aus dem Jahre 1625. Sie verdankt Ihre Entstehung den Wunsche den damaligen Kanzlers das Bistums Johann von Bessel, die mit seinem Burgmannshofe verbundenen „verdunkelten Gerechtigkeiten der Burgmänner zum Petershagen wieder an das Tageslicht und in Ordnung zu bringen.“
Die Berechtigung seines Wunsches weist der Kanzler dadurch nach, dass dem Begründer seines Hofes, dem Drosten und Hauptmann Christoph Grambart, der Bau eines Hauses erlaubt und „wegen seiner geleisteten Dienste die Burgmannsfreyheit und Gerechtigkeiten dabey“ gelegt worden seien. In dieser Verleihungsurkunde fehlt aber eine nähere Angabe, um welche Rechte es sich im einzelnen handelt. Es wird nur darauf hingewiesen, dass es sich um die gleichen Rechte handele, wie sie zur Zeit Jaspar von Holte, genannt Kemener, und die Wendte auf der Altenstadt ausübten und auch schon einige hundert Jahre ruhig besessen hätten.
Schriftliche Unterlagen fehlten jedoch schon damals; es wurden daher die bisher ausgeübten Rechte festgestellt und wie folgt festgelegt:
- Die Unabhängigkeit von der niederen Gerichtsbarkeit, die in Petershagen zum Teil durch den Rat der beiden Städte, zum Teil durch den bischöflichen Drosten ausgeübt wurde.
- Das Recht, auf den Landtagen das Bistums Minden erscheinen zu dürfen.
- Freiheit von „allen und jeden bürgerlichen Beschwerden, als da seyn Contributionen, Steuern, Einquartierung und wie die sonst Nahmen haben möchten.“
- Im Mindener Wald und Heisterholz
- Das Recht der freien Hude und Weide, der Schafhaltung und der Schweinemast.
- Freie „Erbaxte“, d.h. das Recht des Holzschlages für Bau- und Brennholz.
- Das Recht, einen Schützen, d.h. einen Jäger zu halten.
Der Bischof hatte daraufhin seinen Rat Jonas Rese beauftragt, im Mindener Archive festzustellen, ob diese Rechte stimmten. Es gelingt auch, eine den vormaligen Klenkeschen Hof betreffende Urkunde aus dem Jahre 1326 zu entdecken, die wohl die erste Burgmannsernennung zu Petershagen darstellen dürfte. Die dort schon angegebenen Rechte entsprechen bis auf den zuletzt genannten Schützen dem 1625 herrschenden Gewohnheitsrecht. So nimmt denn der Bischof auch keinen Anstand, die von Kanzler Bessel beantragte Bestätigung der Rechte zu genehmigen, die, wie besonders in einer Art Anmerkung erwähnt wird, mit den Rechten der Lübbecker Burgmänner übereinstimmten.
Diese Übereinstimmung traf jedoch in Wirklichkeit nicht zu, wie später noch näher ausgeführt wird. Immerhin waren die Rechte der Burgmänner, deren militärische Pflichten beim Aufkommen der Söldnerheere immer mehr zusammenschrumpften, so groß, dass sich eine ganze Reihe von Vorteilen gegenüber der übrigen Einwohnerschaft daraus ergab. Vor allem das Recht der Steuerfreiheit brachte wesentliche Erleichterungen, zumal von 1500 ab der Ausbau einer geordneten Landesverwaltung sich auch in einer Erhöhung der Steuern recht fühlbar auswirkte.
Die Verleihung des Burgmannsrechtes bedeutete daher einen Gnadenbeweis, der fast einer Verleihung des Adels gleichkam. Es kommt schließlich auch dahin, dass nicht mehr die Verleihung des Burgmannsitzes das Wesentliche ist, sondern die Verleihung der Burgmannsrechte. Diese werden allerdings noch an ein bestimmtes Haus, das aber nicht mehr von den Landesherrn mitgeschenkt wird, sondern schon Eigentum des neuen Burgmanne ist, gebunden.
Diese Verleihung der Steuerfreiheit – denn auf diese kam es später nur noch an – verringerte aber das bisherige Steueraufkommen. Für die Genehmigung neuer Steuern oder die Abänderung bisheriger Steuern war im Fürstentum Minden das Domkapitel zuständig, das daher auch seine besondere Erlaubnis der Urkunde anhängt, in welcher dem Hauptmann Grambart für den späteren Besselschen Hof die Burgmannsfreiheit verliehen wurde.
Grund für diese Verleihung waren die „vielfältigen und getreuen Dienste, die er geleistet hat und in Zukunft noch leisten soll.“ Zehn Jahre später, im Jahre 1573, [Fußnote: von der Horst hat 1578] finden wir, dass der bischöfliche Kammersekretarius Otto von der Marck, der vor allen auf dem Gebiete der Finanzverwaltung sich große Verdienste erworben hatte, mit „besonderen Gnadenbezeigungen belohnt“ wurde. So wurde seinem Hause in Petershagen, dass vor dem „Hallertore“ lag, also zwischen Kriete und Vogt in der Neustadt, die Burgmannsgerechtigkeit verliehen. Über den Hof selbst und die Nachkommen Ottos, der vor 1603 gestorben ist, ist nichts bekannt. Ein Grabstein einer Tochter mit Wappen der Eltern befindet sich in der Rückwand des Denkmals im Heldenhain.
Die Personen, denen auf diese Weise die Burgmannsgerechtigkeiten verliehen wurden, standen jedoch als Beamte im Dienste des Bischofs. Sie waren daher als solche schon steuerfrei. Aber wie die meisten Lehen im Laufe der Zeit erblich geworden waren, so blieben auch die Burgmannshöfe in Besitze der Erben und diese behielten die Steuerfreiheit, auch wenn sie nicht als Beamte in den Dienst des Bistums traten.
Auch die alten Burgmannshöfe, die zunächst adligen Geschlechtern gehört hatten, geraten im Laufe der Zeit alle in den Besitz der höheren Beamten der bischöflichen Verwaltung, vom Kanzler angefangen, bis zuletzt um 1700 sogar ein Vogt von Windheim auf einem der alten Burgmannshöfe sitzt.
Es kommt schließlich an vielen Orten, wo es überhaupt keine Burg gegeben hat, dahin, dass hier aus dem Besitz des dort ansässigen Beamten durch Verleihung der Burgmannsgerechtigkeit sogenannte Burgmannshöfe entstehen. Auf diese Weise ist z.B. der Spanuthsche Burgmannshof zu Windheim aus dem Amt des Vogtes von Windheim entstanden. Den gleichen Ursprung hat der zweite Burgmannshof in Südhemmern, der im Jahre 1602 als Sitz des Vogtes der Börde, Johann Schröder, durch Bischof und Domkapitel von den damals üblichen Lasten befreit wurde. Die brandenburgische Regierung hat den Sohne des Gründers wegen seiner 20 Jahre hindurch treu geleisteten Vogteidienste die Steuerfreiheit in Jahre 1650 bestätigt.
Neben den staatlichen Hoheitsbeamten waren auch die Geistlichen von den üblichen Lasten befreit; und so sind denn auch die Privathäuser der Geistlichen, welche diese auf ihre eignen Kosten hatten erbauen lassen, „Freihäuser“ geworden, die im Volksmunde ebenfalls mit den Burgmannshöfen in einen Topf geworfen wurden.
Wir können gerade in Petershagen verfolgen, wie z.B. die neugebaute Besitzung des Superintendenten Schmidt die Steuerfreiheit auch für die Nachkommen erhält. Auch das Reformierte Pfarrhaus in Petershagen behält nach den Fortzug des Pfarrers nach Minden seine bisherigen Freiheiten und rechnet mit unter die sogenannten Burgmannshöfe, auch nachdem es im Jahre 1705 durch Kauf in andere Hände übergegangen war.
Es gab schließlich noch eine andere Möglichkeit, in den Besitz eines Freihauses zu kommen, indem man sich dieses Recht erkaufte, und zwar zunächst von der Stadtverwaltung. Doch hielt es meist schwer, von den Landesherrn die Bestätigung der neu erworbenen Rechte zu bekommen. In Vlotho z.B., wo der frühere Besitzer des Fährhofes der Stadt mit einer größeren Summe Geldes aus den durch den Dreißigjährigen Krieg entstandenen Finanznöten geholfen hatte, gab der Kurfürst seine Zustimmung, dass der Hof für alle Zeiten von allen Steuern befreit werden sollte. Im Anfang mögen die von der Stadt aufzubringenden Zinsen den an und durch die Stadt an den Staat zu zahlenden Steuern entsprochen haben. Später aber wurde das Verhältnis anders, als immer neue Steuern eingeführt wurden. Erst die Franzosen haben nach 1807 wie überall mit diesen Freiheiten aufgeräumt, aber noch im vergangenen Jahrhundert versuchte der Besitzer in langwierigen Prozessen die alten Rechte wieder zu erlangen und zahlte daher alle Steuern nur unter Vorbehalt.
Ähnliche Fälle, über die jedoch alle näheren Nachrichten fehlen, haben wir auch in Petershagen. Dort findet sich In Jahre 1682 unter der Katasternummer 99 der Altstadt bei Johann Edeler folgende Angabe:
„Ist frey, welche Freyheit er vom Rathe und der alten Stadt Petershagen vor 150 Thaler erlanget.“
Da das im Jahre 1686 aufgestellte Kontributionsregister ihn mit 16 Groschen monatlich ziemlich erheblich zu dieser staatlichen Steuer heranzieht, scheint es sich aber nur um die Befreiung von den städtischen Abgaben gehandelt zu haben.
Etwas billiger, nämlich mit 100 Talern kam Braun Pfeil, den wir später auch als Besitzer eines Burgmannshofes sehen, weg, der am 9.III.1634 mit der Neustadt einen Vortrag über Erlass der bürgerlichen Lasten abschloss. Dass alle diese zuletzt beschriebenen sogenannten Burgmannshöfe, die in Wirklichkeit nur freie Häuser waren, nicht die oben angeführten Burgmannsrechte für sich in Anspruch nehmen konnten, ist eigentlich selbstverständlich. Versucht ist es aber von manchen, meist jedoch ohne Erfolg.
Mit größerem Rechte dagegen machten Anspruch auf diese Vorrechte die Besitzer der alten bischöflichen Lehnsgüter, die meist in der Hand von Adligen und dadurch auch steuerfrei waren. Sie sind z.T. viel älter als die Burg, die zu der Anlage von Burgmannshöfen führte. In Petershagen kommt nur ein Hof in Frage. Es ist das früher westlich der Neustadt gelegene Hidessen, das schon im Jahre 1280 als Mindensches Lehen genannt wird und schließlich auch über eine Reihe bürgerlicher Besitzer um 1650 dem Kanzler v. Hollwehde verliehen wurde. Auch seine Erben rechneten sich selbst und wurden auch von den andern zugerechnet den Burgmännern von Petershagen.
In diesen Zusammenhang muss auch noch des Schlosses zu Petershagen gedacht werden. Als Eigentum des Landesherrn besaß es natürlich die Steuerfreiheit wie auch die dort später wohnenden Amtmänner. Aber es ist auch, wenigstens in einzelnen Teilen, Sitz von Burgmännern gewesen. So wurde Statius von Barkhausen von Bischof Heinrich (1475-1508), mit einem Burglehen zu Petershagen auf der Vorburgstätte und mit dem Burgfried bei der Brücken belehnt. Es erscheint aber bei dieser Verleihung sich nur um den zum Lehen gehörigen Grundbesitz zu handeln, denn die Barkhausen besaßen als Wohnung noch einen zweiten Burgmannshof in der Altstadt.
In späterer Zeit, vor allem im 18. Jahrhundert, hat ein auf dem Grund des alten Schlosses entstandenes Haus die Eigenschaft eines Freihauses erhalten.
2. Die Stellung der Burgmänner zur Stadt Petershagen.
Wenn bei Gelegenheit der Erneuerung der Burgmannsgerechtigkeiten für den Kanzler von Bessel darauf hingewiesen worden war, dass diese Rechte mit denen der Burgmänner von Lübbecke übereinstimmten, so trifft das in Wirklichkeit nicht zu. Das zeigt sich besonders in der Stellung der Burgmänner innerhalb der städtischen Selbstverwaltung. Obwohl Petershagen sein Stadtrecht nach dem Lübbecker Vorbilde entwickelt hatte, war hier die Entwicklung eine ganz andere, wahrscheinlich wohl infolge der Eigenschaft Petershagens als Residenzstadt des Bistums.
In Lübbecke hatte sich der Adel, vertreten durch die Burgmänner, einen derartigen Einfluss gesichert, dass nach der Magistratsverfassung von 1524 an der Spitze der Stadt zwei Bürgermeister standen, von denen einer der Ritterschaft angehören musste. Ihnen zur Seite standen je sechs adlige und bürgerliche Senatoren.
In Petershagen findet man nichts dergleichen. In beiden Städten, in der Alt- und in der Neustadt gehören die Bürgermeister und Senatoren immer nur den Bürgergeschlechtern an. Die Burgmänner beteiligen sich in keiner Weise am Stadtregiment.
Es sieht fast so aus, als ob das Verhältnis zwischen den Bürgern und den Burgmännern in der Regel nicht immer gut gewesen ist .Mit Missgunst sah man auf die Steuerfreiheit des Grundbesitzes der Burgmannshöfe. Denn der dadurch entstehende Steuerausfall musste von den Bürgern mitaufgebracht werden. Eine Beschwerde der Stadt aus den Jahre 1676 beziffert die der Kontribution entzogene Länderei auf 290 Morgen. Die darauf ruhende Steuer machte etwa 10 Reichstaler monatlich aus, d.h. ein Sechstel der in der ganzen Stadt Petershagen sonst aufkommenden Steuer. Das den Burgmännern gehörende Land hat sich im Laufe der Zeit noch beträchtlich vermehrt. Besaßen doch die Bessels in Jahre 1758 allein 302 Morgen Grundbesitz im Gebiet der Stadt.
Einen ewigen Streit gab es auch um die gemeinsame Holznutzung im Heisterholze und im Mindener Walde, die sowohl der Stadt, wie auch den Burgmännern zustand, wozu aber noch eine Reihe weiterer Berechtigter kam. Wie meist in solchen Fällen wurde von jedem das Beste herausgeholt, aber für Nachwuchs kaum gesorgt, und das Ende war „ein ruinierten Holz.“
Die Stadt schob die Schuld den Burgmännern zu, diese erklärten, die Stadt allein sei für die Verwüstung des Holzes verantwortlich zu machen. Ein Vergleich, den im Jahre 1654 die Burgmänner mit der brandenburgischen Regierung abgeschlossen hatten, sah vor, dass alle Teile auf eine Ausnützung des Waldes vorerst verzichteten. Es scheint aber, dass es nicht viel geholfen hat. Es lag auch daran, dass infolge der zahlreichen Brände in Petershagen der Bedarf an Holz besonders groß war. Die im Jahre 1720 auf dem Schlosse eingerichtete Amtsbrennerei und Brauerei hat den Bedarf auch sehr stark gesteigert. Schließlich wurde in Jahre 1736 die Zuteilung von Brennholz ganz gesperrt. Bauholz dagegen konnten sich die Burgmänner durch den Förster im Bedarfsfalle anweisen lassen.
Zuletzt haben fünf Burgmänner von Petershagen noch im Jahre 1827, als man daran ging, das Heisterholz aufzuteilen, in einer Eingabe um Berücksichtigung und Entschädigung ihrer Rechte gebeten. Sie betrachteten sich in diesem Schriftstück sogar als Miteigentümer des Waldes. Man hat aber ihre Rechte nicht in dem gewünschten Masse anerkannt. Denn bei der im Jahre 1867 erfolgten Ablösung der Rechte am Heisterholz durch den Forstfiskus wurden nur die Rechte des früheren Besselschen, damals Griesebachschen Hofes anerkannt und mit 35 Talern bewertet. Sonst wurde nur noch besonders abgelöst das Recht der Schafweide, das die Geschwister Kirchhof Nr. 5 in Eldagsen seiner Zeit bei der Auflösung des Gadenschen Burgmannshofes erworben hatten. Es wurde mit 40 Talern bewertet. [Fußnote: Über die Entschädigung für verschiedene Holzberechtigungen in den Lahder Forsten siehe den Schlussabschnitt des „Allgemeinen Teiles.“]
3. Die Stellung der Burgmänner in der Landesverwaltung.
Es soll hier nicht davon die Rede sein, welche Stellung die einzelnen Burgmänner in der Landesverwaltung des Bistums hatten. Sie sind ja fast in allen Beamtenstellen, die das Bistum zu vergeben hatte, zu finden, angefangen beim Kanzler und aufhörend beim Vogt.
Neben diesen Beamten gab es aber noch als beratende Körperschaft den Landtag, gebildet von den Landständen. Diese setzten sich zum großen Teil aus dem Adel des Fürstentums zusammen. Im allgemeinen haben die Burgmänner von Petershagen auf die Teilnahme an den Landtagen keinen allzu großen Wert gelegt. Als Beamte der bischöflichen Verwaltung befanden sie sich auch in einer etwas schwierigen Stellung. So war das Recht der Teilnahme schließlich soweit in Vergessenheit geraten, dass man schließlich das Recht überhaupt bestritt.
Erst der Kanzler v. Bessel, der nach seinem Ausscheiden aus dem Mindenschen Staatsdienst als Burgmann in Petershagen blieb, setzte um 1650 dieses Recht wieder durch, so dass nunmehr die Burgmänner von Petershagen denen von Lübbecke gleichgestellt wurden.
Sehr viel praktischen Wert hat diese Festlegung nicht mehr gehabt. Denn unter der neuen brandenburgischen Regierung wurden die Landstände kaum noch zusammen gerufen. Mit der Einführung der absoluten Staatsform gingen die Landtage schließlich ganz ein.
4. Die Stellung der Burgmänner zur Kirche.
Die Befreiung von den allgemeinen Steuern galt aber nicht für die Abgaben, die der Kirche zu leisten waren. Im Gegenteil, der Kirche gegenüber waren die Burgmänner zu besonderen Leistungen verpflichtet, die höher waren als die der andern Gemeindemitglieder.
Als regelmäßig wiederkehrende Abgabe erscheint z.B. von 1650 ab je ein Schinken, der von fünf Burgmannshöfen zu Ostern zu liefern ist. Etwa 100 Jahre später ist an Stelle des sonst gelieferten Schinkens eine Bargeldzahlung von je 18 Mariengroschen getreten, die zu Weihnachten und Ostern zu zahlen sind. Inzwischen hat sich die Zahl der Höfe auch vermehrt. Zu dem Besselschen Hofe vor der Altstadt ist der zweite Hof an der Oesper (jetzt Rehlings Garten) getreten. Die vier andern Höfe bestehen aus den drei am Westrande der Altstadt gelegenen Burgmannshöfen und dem Hollwehdesche Hofe.
Die andern in den Register des 18. Jahrhunderts aufgeführten Höfe, die hier als Freie Häuser richtig bezeichnet werden, fehlen im 17. Jahrhundert; sie sind neu hinzugekommen und auch nicht zu der festgesetzten Schinkenlieferung verpflichtet. Vielmehr gibt ein jeder, „wie es dem Herrn Besitzer beliebet.“
Mit der Schinkenlieferung hat es aber auch nicht immer geklappt. So beschwert sich die Kirche im Jahre 1665, dass der Burgmann Johann Rudolf Pfeil drei Jahre lang den Schinken nicht geliefert habe, weil ihm vorher ein Schwein auf den Kämpen totgeschossen worden wäre. Auch Hollwehde ist in der gleichen Zeit im Rückstande.
Es zeigt sich aber auch, dass in sehr vielen Fällen die Kirche sehr tatkräftig durch die Burgmänner unterstützt wurde. So stehen diese an der Spitze der Spendenliste für den Kirchenneubau im Jahre 1563. Das Gleiche finden wir bei dem Neubau der noch heute stehenden Petrikirche in den Jahren 1615 – 1618, wo allein Johann von Bessel 25 Rt. und der Amtmann Heinrichking 7 Reichstaler zur Verfügung stellten. Von Bessel stammten auch die 13 Bilder aus der Leidensgeschichte Christi, die im Jahre 1648 geschenkt und an den Priechen gegenüber dem Predigtstuhl angebracht wurden. 1637 hat Caspar Klock 20 Taler für eine neue Glocke gestiftet. Der Kanzler Hollwehde, dessen Erinnerung auch noch der Taufstein festhält, hinterließ in seinem Testamente im Jahre 1654 der Kirche sogar eine Forderung von 200 Talern.
Manchmal war allerdings auch ein gelinder Druck nötig. Das zeigt eine Verfügung der Mindener Regierung vom 15.XI.1715, in der die Burgmänner zum zweiten Male aufgefordert wurden, „eine erkleckliche freywillige Beysteuer behuef reparation der dortgen Kirchenmauer beyzutragen.“ Den steuerbelasteten Einwohnern der Pfarre fielen diese Ausgaben sonst zu schwer. Es handelt sich dabei um den Neubau der Mauer um den Kirchhof, an den der Stein erinnert, der heute in einer der Nischen an der Südseite der Kirche aufgestellt ist.
Der Taufstein, den der Kanzler Hollwehde schenkte, war keine reine Stiftung, sondern eine Art Bezahlung für das seiner Familie in der Kirche selbst zur Verfügung gestellte Erbbegräbnis. Denn die Burgmänner beanspruchten und besaßen auch alle ein Erbbegräbnis in der Kirche selbst. Von den Grabsteinen hat sich nur der des Kanzlers Engelbert von Bessel und seiner Gemahlin erhalten. Die Burgmänner hatten auch das Recht, alle kirchlichen Handlungen in ihren Familien, wie Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse von dem ersten Pfarrer, der meist auch der Superintendent des Bistums war, vornehmen zu lassen. Sie schickten ihre Kinder auch nicht in die allgemeine, von Kirche und Stadt unterhaltene Schule, sondern hielten sich ihre Privatlehrer, meist jüngere Theologen.
Wir sehen aber auch, wie die Burgmänner im Jahre 1649, wieder unter Führung des Kanzlers Heinrich von Bessel, den Versuch machten, Einfluss zu gewinnen auf die Besetzung der Küsterstelle. Im Namen der andern Burgmänner, genannt werden Hollwehde und Pfeil, eröffnete Bessel dem Superintendenten, dass man mit Verwundern vernehme, dass ein Küster ohne ihr Wissen und Willen eingesetzt worden sei. Man müsse doch wissen, dass zu solchen Handlungen immer die Burgmänner hinzu gezogen werden müssten. Diese Ansprüche konnten jedoch nicht durchgesetzt werden. Der Superintendent Schmidt setzte vielmehr auch bei der Anstellung des Küsters Lämmerhirte seinen Willen durch.
Im Jahre 1714 finden sich dann noch einmal die Burgmänner zusammen mit den Vertretern der Bürgerschaft, um gegen die Anstellung des Pfarrers Vethake Einspruch zu erheben. Das Vorgehen hatte aber keinen Erfolg. Vethake wurde doch zum Pfarrer ernannt und blieb vier Jahre dort, bis er nach Windheim kam.
5. Die Aufhebung der Burgmannsgerechtigkeiten.
Eine einheitliche Aufhebung der Burgmannsgerechtigkeiten, d.h. vor allem des Rechtes der Befreiung von Steuern und Lasten hatte in der Zeit statt gefunden, als Petershagen mit dem Jahre 1807 unter die Herrschaft des Königreiches Westfalen gekommen war. Der Grundsatz der Gleichheit aller vor den Gesetz hob mit den Vorrechten des Adels auch die Rechte der Burgmänner auf, so dass mit dem Jahre 1808 die bisherigen Freihöfe mit zu den üblichen Steuern herangezogen wurden.
Die westfälische, bzw. ab 1810 französische Herrschaft dauerte aber nur kurze Zeit. In der den Befreiungskriegen folgenden Reaktionszeit gelang es dem Adel, eine Reihe der unter der Fremdherrschaft verloren gegangenen Rechte wieder zurück zu gewinnen, da in Preußen die Entwicklung noch nicht so weit vorgeschritten war.
Von den Besitzern der Freien Höfe schien aber nur noch ein kleiner Teil wert zu lagen auf die bisherigen Rechte, von denen das wichtigste, die Steuerfreiheit, nämlich nicht wieder kam. Sie suchten ihre Rechte durch Eintragung in das damals neu angelegte Kataster zu sichern. Zu diesen Zwecke musste die Grundstücke der sogenannten „eximierten“ Besitzungen in das Grundbuch beim Oberlandesgericht zu Paderborn eingetragen werden.
Nach den Bekanntmachungen im Amtsblatte der Regierung von Minden machten nur vier Besitzer davon Gebrauch, nämlich der Land- und Stadtrichter Becker, der die früheren von Klenkeschen Besitzungen und den Gadenschen freien Garten eintragen ließ, dann der Bäckermeister Kaup für den Burgmannshof in der Fischerstadt, der Fabrikant Hempell für den heute noch im Besitz der Familie befindlichen Hof und schließlich die Erben der Familie Bessel für ihre beiden Besitzungen.
Kaupp und Hempell ließen im Jahre 1830 ihre Besitzungen aus der Gerichtsbarkeit des Oberlandesgerichtes in die des Landesgerichtes zu Petershagen überführen und verzichteten damit auf ihre Rechte. Mit den letzten Resten hat dann die Revolution von 1848 aufgeräumt, die auch dem Patrimonialgerichte der Familie Vethake ein Ende bereitete.
Besonders aufschlussreich über die endgültige Entwicklung der Petershäger Burgmannshöfe erweist sich eine Eintragung in das Grundbuch des Besselschen Hofes. Danach besaßen die Burgmannshöfe von Petershagen auch verschieden Holzberechtigungen in den Waldgebieten um Lahde herum, die sie mit den dort liegenden Gemeinden teilen mussten. Als nun diese Rechte durch den Teilungsrezess von 1834 durch Grundbesitz abgelöst worden sollten, wurden den Burgmännern etwa 206 Morgen südlich von Quetzen in der Gegend von Mariahöh zugeteilt, wobei aber erst einmal die in Frage kommenden Rechtsnachfolger der Burgmannshöfe festgestellt werden mussten. Daher konnte zunächst keine Eintragung im Grundbuche erfolgen. Es ergab sich dann, dass das Grundbuchamt den ganzen Besitz den Besselschen Gütern überwies mit der Begründung, dass der von Mülbesche und von Becquersche Hof nach Angabe ihrer Besitzer nicht mehr den Charakter eines Gutes trügen. Ihr Grundbesitz sei vielmehr in den der Familie von Bessel eingegliedert worden, die infolgedessen auch nur noch allein Anspruch auf die Entschädigung hätten.
Durch die Besselschen Erben kamen die 206 Morgen später in den Besitz der Familie Griesebach, die sie im Jahre 1849 für 4500 Taler an den Gutsbesitzer Hermann v. Borries zu Quetzen, verkauft hat.
Geklärt wird vor allem aber auch noch eindeutig die Frage: Welche echten Burgmannshöfe bestanden um 1830 noch in Petershagen? Die Antwort lautet: Es gab nur noch drei, die beiden Höfe an der Grabenstrassen und den Besselschen Hof an der Oesper, der inzwischen auch verschwunden ist. Der Besselsche am Südrande der Altstadt dagegen wird hier amtlich ganz richtig als „Adliges Gut“ bezeichnet.
(Quellen: Stadtarchiv Petershagen, Nachlass Grossmann, Typoskript 1937, Die Orthographie folgt dem Original. Großmann, Karl: Die Burgmannshöfe und Freien Häuser in Petershagen. In: Mindener Jahrbuch Bd. 9 (1937/38), S. 161-182. Monumenta germaniae historica URL: https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a144197.pdf)
Abb. oben: Dr. Karl Großmann: Zeichnung. Lageplan. Die Burgmannshöfe und freien Häuser in Petershagen (1937). Die Bezifferung der Karte folgt nicht der Systematik des Artikels. 1. Hiddenser Hof, 2. Besselscher Hof (Altstadt), 3. Besselscher Hof (Neustadt), 4. Hempellscher Hof, 5. Mülbescher Hof, 6. Gadenscher Hof, 7. Vethakescher Hof, 8. Reformiertes Freihaus, 9. Wehkingscher Hof, 10. Scheringscher Hof. (Mai 2021)