400 Jahre Petrikirche Petershagen
Die Ev.-luth. Kirchengemeinde Petershagen eröffnet die Feierlichkeiten zum 400-jährigen Bestehen der Petrikirche am Wochenende vom 8. bis 9. September 2018 mit einer Sonderausstellung im Kirchenschiff. Es kommen Schätze des Pfarrarchivs aus dem 14. bis zum 17. Jahrhundert ans Licht. Die Ortsheimatpflege und der Förderverein der Petrikirche führen diese Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen durch.
Die mittelalterlichen Urkunden und Folianten beleuchten die Wendepunkte unserer Regionalgeschichte. Ausgestellt werden die frühesten Urkunden des Pfarrarchivs überhaupt. Sie treten neben Zeugnisse der mittelalterlichen Bruderschaften und des ökumenischen Erbes, neben Folianten aus dem Reformationsjahrhundert und neben Archivalien, die den Bau der Petrikirche vor 400 Jahren dokumentieren. Bürgermeister Johann Westermann hielt dieses Ereignis in seiner Kirchenbaurechnung fest und notierte, dass er nach Abschluss der Arbeiten für Meister und Gesellen einen Taler für das Essen, aber sechs Taler für das Bier ausgegeben habe. Der Arbeitskreis der Ortsheimatpflege hat diese Museumsstücke aus dem Pfarrarchiv gesichtet und für eine Sonderausstellung erschlossen.
Am Ende der 1970er-Jahre hat die evangelische Kirchengemeinde ihre wertvollen Urkunden, Archivalien und Kirchenbücher, die bis ins Mittelalter zurückreichen, im Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen deponiert. Das Archiv sammelt und pflegt die Dokumente der Kirchenkreise und -gemeinden. Es verwahrt in seinen Magazinen auch das historische Schriftgut unserer Kirchengemeinde auf, da es vor Ort nicht sachgemäß gelagert und betreut werden kann. Aus Anlass des Jubiläums werden bedeutende Teile der pfarramtlichen Überlieferung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, nachdem sie ein halbes Jahrhundert in den Magazinen des Landeskirchlichen Archivs ruhten.
Die Ausstellung zeigt in thematischen Modulen
- Urkunden aus dem 14. Jahrhundert, die die frühen Kirchenbauten der Altstadt belegen,
- die Gründung der Neustadt und die Bauten der Petrikirche,
- die vorreformatorische Überlieferung der Gemeinde, für die drei religiöse Laienbruderschaften charakteristisch waren,
- der Beginn der Lutherischen Lehre am Beispiel der Aufzeichnungen von Pastor Henrich Schulrabe und
- der Neubau der Petrikirche in den Jahren 1615-1618.
Die Ausstellungsmodule und Archivalien werden durch thematische Tafeln erläutert.
Die Ausstellung
I. Frühe Pergamente aus dem Pfarrarchiv
II. Die Altstädter Kirchenbauten
III. Die Gründung der Petrikirche
IV. Fehden und Stadtbrände
V. Religiöse Laienbruderschaften
VI. Die Anfänge der Reformation
VII. Der Neubau der Petrikirche
Thementafeln erläutern die Ausstellungsmodule
Besondere Veranstaltungen
08. September, 18 Uhr
Ausstellungseröffnung in der „Langen Nacht der Geschichte“
27. Oktober, 19 Uhr
Multimedia-Präsentation, Jahrbuchvorstellung und Konzert
Martina Wrachtrup-Klaß spielt Orgelwerke zu den Epochen der Petershäger Kirchengeschichte
Ein Mulltimedia-Vortrag der Ortsheimatpflege Petershagen gibt einen Einblick in die Archivalien des Pfarrarchivs
28. Oktober, 10:30 Uhr
Festgottesdienst mit der Präses der EKvW Annette Kurschus
Ausstellung Petrikirche
Öffnungszeiten
08. September, 18-22 Uhr Lange Nacht der Geschichte
09. September, 12-18 Uhr Tag des offenen Denkmals
27. Oktober, 10-16 Uhr Öffnung der Ausstellung
28. Oktober, 12-18 Uhr Öffnung der Ausstellung
Der Veranstalter ist die Ev.-luth. Kirchengemeinde Petershagen
Die Petrikirche
und ihre Vorgängerbauten
- 1243 Erste Nennung einer Kapelle zum Heiligen Kreuz in Hokelve, dem Ursprung Petershagens
- 1345 Hokelve wird als Pfarrei erwähnt. Dies deutet auf das Bestehen der Pfarrkirche St. Johannis hin
- 1363 Gründung der Petrikirche (Bau I.) in der Neustadt Petershagen
- 1519 Zerstörung und Wiederaufbau der Petrikirche (Bau I. und II.) in der Hildesheimer Stiftsfehde (1519-1523)
- 1553 Zerstörung der Petrikirche (Bau II.) und der Altstädter Johanniskirche im Zweiten Markgrafenkrieg (1552-1554)
- 1554 Wiederaufbau der Johanniskirche
- 1565 Wiederaufbau der Petrikirche (Bau III.) als provisorischer Fachwerkbau
- 1615 Vierter Bau der Petrikirche (1615-1618)
- 1732 Die Hallenkirche bekommt einen Turm
- 1819 Abbruch derJohanniskirche
- 1971 Erste Renovierung (1969-1971)
- 2006 Zweite Renovierung (2006-2009, 2015)
Petrikirche Petershagen 1618-2018
Wilhelm Seele (2007)
Beauftragter für Baudenkmalpflege in der Stadt Petershagen
Die Petrikirche in Petershagen gehört zu den geschichtlich, kirchengeschichtlich und kunsthistorisch bedeutendsten der neun unter Denkmalschutz gestellten Kirchen der Stadt Petershagen. Ihre Bedeutung ergibt sich besonders aus zwei Aspekten:
I. Die Petrikirche, 1363 gegründet, war die Hauptkirche am Sitz der Verwaltung des Bischofs und Fürstbischofs von Minden auf der Burg Petershagen (seit 1306) und – nach dem Heimfall des Bistums Minden an Brandenburg im Westfälischen Frieden 1648 – von 1649-1669 auch die Hauptkirche am Sitz der brandenburgischen Verwaltung des Fürstentums Minden und der Grafschaft Ravensberg auf Schloss Petershagen.
Nach der Reformation bis Anfang des 20. Jahrhunderts übte der Erste Pfarrer dieser Kirche (pastor primarius) das Amt des Superintendenten, von 1841-1843 auch das Amt eines Präses der westfälischen Provinzialsynode, für diesen Raum aus. Dadurch besitzt die Petrikirche eine herausgehobene Stellung in der Region. Auch ist sie stilgeschichtlich bemerkenswert.
Nach Übersiedlung der Verwaltung des Bistums Minden von Minden nach Petershagen im Jahre 1306 entstand neben der bereits vorhandenen Altstadt die Petershäger Neustadt. In ihr ließ der Mindener Bischof 1363 die Petrikirche bauen. Sie ersetzte die Johanniskirche in der Petershäger Altstadt.
Die Petrikirche wurde 1519 und 1553 bei kriegerischen Auseinandersetzungen der Bischöfe von Minden mit verfeindeten Fürstenhäusern zerstört. Die nach der letzten Zerstörung errichtete Holzkirche wurde in den Jahren 1615-1618 durch die heutige ersetzt. Architekt war Erich Reinhardt, der vermutlich auch die Bückeburger Stadtkirche geplant hatte. Die Petrikirche ist nach ihrem Vorbild gestaltet worden. Sie ist eine dreischiffige aus Sandstein errichtete Hallenkirche. In ihrer Raumgestaltung wird noch der Einfluss der Spätgotik deutlich.
Bei Restaurierungsarbeiten in den Jahren 1969-1971 sind an den Seiten und im Chorraum die 1840 eingebauten Emporen – sie verdunkelten die Kirche sehr – entfernt worden. Das hat bewirkt, dass heute der lichte, gotische Charakter der Hallenkirche ausdrucksstark zur Wirkung kommt.
II. Die Petrikirche Petershagen besitzt Kunstwerke von hohem Rang. Von besonderer geschichtlicher Bedeutung ist das steinerne Epitaph für Engelbart von Bessel († 1567) und seine Gemahlin Johanna von Schaumburg († 1599). Engelbart von Bessel, aus dem Raum Hannover stammend, stand als Oberamtmann und Kammerherr im Dienste des Bischofs von Minden auf Schloss Petershagen. Er und seine Frau Johanna sind die direkten Vorfahren des weltberühmten Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel, der in den Jahren 1810-1813 die Königsberger Sternwarte aufgebaut hat, bis 1846 deren Direktor war und zugleich als Professor für Astronomie an der Königsberger Universität „Albertina“ lehrte.
Mehrere an der Petrikirche wirkende Erste Pfarrer, die zugleich das Amt des Superintendenten in der Region ausübten, haben sich regional, aber auch überregional große Verdienste im Bereich von Theologie, Schul- und Lehrerausbildung erworben. Das hat auch in der wissenschaftlichen Literatur ihren Niederschlag gefunden.