Nr. 281 | Der Besselsche Burgmannshof in der Altstadt

Dr. Karl Großmann (1896-1981)

Die Burgmannshöfe und Freien Häuser in Petershagen
Stadtarchiv Petershagen | Typoskript 1937

Die adligen Burgmannshöfe
Der Besselsche Burgmannshof in der Altstadt

Der Ursprung des Adligen Gutes der Familie von Bessel, wie der Besselsche Hof in den Verzeichnissen oft genannt wird, lässt sich im Gegensatz zu den meisten andern Burgmannshöfen noch heute urkundlich genau festlegen. Denn am 12. Juli 1563 erhielt der damalige Mindensche Drost und Schlosshauptmann von Petershagen Christoph Grambart von Bischof Georg und dem Domkapitel die Erlaubnis, „auf einem Platze zu Ende der Alten Stadt nach der Weser Seiten auf einem erkauften freien Platze ein Haus zu seinem Sitze zu bauen, und der Bi­schof legte diesem Hause wegen der geleisteten guten Dienste die Burg­mannsfreiheit und Gerechtigkeit bei.“

Aber allzu lange ist Grambart, der außerdem noch andere Güter, z.B. bei Varel, besaß, nicht im Besitze des von ihm erbauten Hofes geblieben. Nachdem er schon im Jahre 1572 ihn mit einer Hypothek von 300 Talern hatte belasten müssen, verkaufte er ihn schon ein Jahr später an seinen Gläubiger, den Ober­amtmann des Erzstiftes Bremen Albertas Kocke und dessen Ehefrau Johanna.

Diese Johanna von Schaumburg, die eine voreheliche Tochter des Grafen Jo­hanns X, von Schaumburg war, war in erster Ehe mit dem Mindenschen Rat und Oberamtmann Engelbert von Bessel verheiratet gewesen, der 1567 ge­storben war. Das Grabmal des Ehepaares, ein Epitaph mit den knienden Figu­ren von Engelbert und Johanna, befindet sich noch heute in der Kirche zu Pe­tershagen.

Als erster Bessel war Engelbert, von Hannover kommend, in die Dienste des Fürstbistums Minden getreten. Sein Sohn Johann setzte diese Tradition fort und wurde Kanzler des Fürstbistums. Als Stiefsohn das Oberamtmanns Kocke erbte er den von Grambart erbauten Hof. Durch das Erbe seiner Mutter, durch Kauf und durch allerlei Schenkungen von Seiten des Bischofs gelang es ihm, seinen Besitz rasch zu vergrößern. So suchte er auch vor allem die ihm zuste­henden Burgmannsgerechtigkeiten zu neuem Leben zu erwecken. So ließ er sich als Ersatz für die Holzgerchtigkeiten im verwüsteten Heisterholze und Min­dener Wald gleiche Rechte in den Wäldern bei Lahde geben, die später im Jahre 1830 noch mit über 200 Morgen bei Mariahöh entschädigt wurden. Durch den Kaiser ließ er sich seinen Adel bestätigen, der Jost von Bessel aus Livland schon im Jahre 1494 von Kaiser Maximilian verliehen worden war.

Sein Sohn Heinrich wurde Nachfolger im Kanzleramt und darin auch von der schwedischen Regierung bestätigt. Er schied aber nach dem Übergang des Stiftes an Brandenburg aus und ging als braunschweigischer Kanzler nach Har­burg. Seine Nachkommen, die meist in preußischen Diensten standen, zogen wieder nach Petershagen. Sie erwarben hier u.a. auch die Deichmühle vom Schmidtschen Hof, die nach dem neuen Besitzer noch um 1800 den Namen „Besselshagen“ führte.

Nach dem Aussterben der direkten Linie kam der Hof, und mit ihm die andern Güter, zu denen auch der Burgmannshof in der Neustadt und die Alteburg bei Friedewalde gehörten – der Wert wurde um 1790 auf 22 000 Taler angegeben – an August Samuel Ehrenreich v. Bessel. Dieser hat um 1765 den Hof umge­baut zu dem heutigen Gebäude, an dem jedoch vorher die früher vorhandene Freitreppe fehlt. Von ihm stammte auch das Mausoleum, das erst nach dem Weltkriege abgebrochen worden ist. Bei ihm wohnte auch gelegentlich der Kö­nigsmanöver im Jahre 1799 Friedrich Wilhelm III. mit der Königin Luise, wäh­rend auf dem Gelände unmittelbar südlich des Hofes ein großes Zelt aufge­schlagen war, in dem täglich große Hoftafel gehalten wurde.

Sein Sohn, der Kammerherr Carl Theodor Philipp August, gestorben 1818, war der letzte Bessel in Petershagen. Er hatte fast alle zum Hofe gehörigen Lände­reien verpachtet oder durch einen Verwalter bewirtschaften lassen. Das obere Stockwerk des Hofes war außerdem an der Superintendenten Romberg ver­mietet.

Als Erbin des Gesamtvermögens war die Nichte des Verstorbenen eingesetzt worden, Christine Wilhelmine Augustine ,von Becquer, die mit dem Amtmann Eberhard Cornelius von Schüttorf auf Hopen in Oldenburg verheiratet war.

Die neuer Besitzer ließen die Petershäger Güter ebenfalls durch einen Admi­nistrator verwalten. Als Sohn des Administrators und Leutnants a. D. Fick wurde damals auf dem Besselschen Hofe am 5.III.1833 der Professor der ver­gleichenden Sprachwissenschaft August Fick geboren. (Gest.1916 in Hildes­heim.)

Ein Teil des Besitzes wurde im Jahre 1934 verkauft. Der Hof selbst wurde 1850 bei einer Versteigerung durch den Kaufmann Christian Krüger für 5000 Taler erworben. Er gab ihn im Jahre 1856 weiter an den Gutsbesitzer Grisebach, der schon 1834 und 1850 den größten Teil des sonstigen Besselschen Besitzes er­worben hatte.

Um 1860 verkaufte die Familie Griesebach den Hof an die Provinz Westfalen, die ihn zu Lehrerwohnungen für die 1851 in Petershagen eingerichtete Taub­stummenanstalt einrichtete. Bis 1934 hat er diesem Zwecke gedient. Nach Verlegung der Taubstummenanstalt überließ ihn die Provinz, zusammen mit dem 1888 neu erbauten Schulgebäude jenseits der Strasse und dem 1913 er­bauten Direktorwohnhause dem Westfälischen Blindenverein, der darin eine Blindenwerkstatt einrichtete.

(Quellen: Stadtarchiv Petershagen, Nachlass Großmann, Typoskript 1937, Die Orthographie folgt dem Original. Großmann, Karl: Die Burgmannshöfe und Freien Häuser in Petershagen. In: Mindener Jahrbuch Bd. 9 (1937/38), S. 161-182. Monumenta germaniae historica URL: https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a144197.pdf)

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Abb. oben: Dr. Karl Großmann: Zeichnung. Lageplan. Die Burgmannshöfe und freien Häuser in Petershagen (1937). 

Der Bessel’sche Hof auf einer Ansichtskarte der 1930er-Jahre.

Der Besselsche Stein aus der Öspermauer befindet sich heute in einer Nische der Jugendherberge.